Rz. 35

Der Ablauf bis zum Zustandekommen einer Prozessfinanzierung lässt sich grob in vier Schritte unterteilen.

1. Erste Kontaktaufnahme

 

Rz. 36

Vor Einreichung einer schriftlichen Finanzierungsanfrage erfolgt sinnvollerweise eine erste Kontaktaufnahme, am besten per Telefon. Erfahrungsgemäß lässt sich ohne großen Arbeitsaufwand in einem kurzen Telefonat klären, ob ein Fall generell zur Finanzierung durch einen gewerblichen Prozessfinanzierer geeignet ist oder nicht. Der Anwalt erspart sich so überflüssige Schreibarbeit und die damit verbundenen Sach- und Personalkosten. Darüber hinaus stellt er einen ersten persönlichen Kontakt am besten zu dem für seinen Fall zuständigen Sachbearbeiter her, mit dem er in der Folge, wenn eine Finanzierung weiter in Betracht kommt, zusammenarbeiten wird. Ist die Frage der generellen Finanzierbarkeit der angefragten Angelegenheit geklärt und selbige bejaht, wird in dem Gespräch sogleich auch abgeklärt werden können, welche konkreten Unterlagen der Prozessfinanzierer zur weiteren Prüfung benötigt.

In der Regel wird der Prozessfinanzierer auf der Übersendung eines Klageentwurfes bestehen, um die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage rechtlich einschätzen zu können. Da es aus taktischen Erwägungen heraus oftmals nicht sinnvoll sein wird, die Einwendungen der Gegenseite bereits im Klageentwurf darzustellen, benötigt der Prozessfinanzierer darüber hinaus auch eine Aussage des Anwalts zu den möglichen Einwendungen der Gegenseite und optimalerweise dazu eine Darlegung der Strategie und Beweismöglichkeiten, wie diesen Einwendungen der Gegenseite im Prozess erfolgreich begegnet werden kann. Darüber hinaus wird der Prozessfinanzierer im Regelfall auf einer Übersendung etwaiger vorhandener vorprozessualer Korrespondenz mit der Gegenseite bestehen.

 

Rz. 37

Soweit die Bonität des/der Beklagten nicht offensichtlich ist, wird der Prozessfinanzierer insoweit entsprechende Darlegungen erwarten. Die Darlegung der Bonität bei erbrechtlichen Fällen wird dabei häufig dadurch erleichtert, dass sich die Parteien um einen zumindest im groben Umfang bekannten Nachlass streiten. Zudem sind den Parteien aufgrund der persönlichen Nähe die Vermögensverhältnisse der jeweiligen Gegenseite genauer bekannt als in anderen Rechtsgebieten, wo diese soziale Nähebeziehung fehlt. Liegt Grundvermögen vor, kann die Bonität der Gegenseite dem Prozessfinanzierer durch Übersendung von unbeglaubigten vollständigen Grundbuchauszügen dokumentiert werden.[18]

[18] Erfahrungsgemäß wird ein berechtigtes Interesse zur Einsicht von den Grundbuchämter kaum je verneint, vgl. hierzu auch KG ZEV 2004, 338 = MDR 2004, 943 zum Einsichtsrecht des Pflichtteilsberechtigten auch hinsichtlich ergänzungspflichtiger Schenkungen.

2. Stellungnahme des Prozessfinanzierers

 

Rz. 38

Nach Übermittlung des vorgenannten Materials wird der Prozessfinanzierer den Fall nach seinen internen Risikokriterien daraufhin überprüfen, ob dieser zur Finanzierung übernommen werden kann. Etwaige noch auftauchende Fragen wird der Prozessfinanzierer durch Rücksprache zu klären versuchen. Dabei wird der Prozessfinanzierer im Regelfall mit dem Anwalt korrespondieren, zum einen, um so das Verfahren professionell und effektiv betreiben zu können und zum anderen, um den Vorwurf des Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu vermeiden.

 

Rz. 39

 

Hinweis

Manche Anwälte tendieren dazu, Ihren Mandanten, aus welchen Gründen auch immer, die Anfrage beim Finanzierer zu übertragen. Das ist aus vorgenannten Gründen ein zum Scheitern verurteilter Versuch. Der Anwalt sollte im Gegenteil möglichst früh den vertrauensvollen Kontakt zum Finanzierer aufbauen, um dessen Einschätzung des Falles und den zuständigen Sachbearbeiter kennen zu lernen, mit dem er im Falle einer Finanzierung ohnehin eng zusammenarbeiten wird.

3. Vertragsangebot

 

Rz. 40

Lassen sich die aufgeworfenen Fragen zur Zufriedenheit des Prozessfinanzierers lösen, so wird dieser dem anfragenden Anwalt die Vertragsunterlagen übermitteln. In der Regel sind diese vom Prozessfinanzierer nicht unterzeichnet, sondern werden dem Anwalt übermittelt, damit dessen Mandant dem Prozessfinanzierer das Angebot auf Abschluss eines Prozessfinanzierungsvertrages unterbreiten kann. Gehen die unterzeichneten Vertragsunterlagen beim Prozessfinanzierer dann ein, kann dieser binnen einer Bindungsfrist entscheiden, ob er das Angebot des Anspruchsinhabers annimmt oder nicht.

4. Vertragsabschluss

 

Rz. 41

Die vorgenannte Bindungsfrist wird der Prozessfinanzierer zu einer abschließenden nochmaligen Prüfung des Falles auf seine Finanzierbarkeit und auf die Bonität des Gegners hin nützen. Oftmals werden erst in dieser Phase kostenaufwendige externe und interne Gutachten erstellt. Dadurch vermeidet der Prozessfinanzierer das Entstehen hoher Prüfungskosten, solange er nicht durch ein bindendes Angebot des Anspruchsinhabers gesichert ist. Auch wird dadurch vermieden, dass der Anspruchsinhaber sich einen etwaigen Erkenntnisgewinn aus der vorgenommenen juristischen Sachprüfung alleine zunutze macht, indem er sich entschließt, den Prozess nun doch auf e...

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