Rz. 66

Besonders häufig sind Finanzierungsanfragen zu Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Das größte Prozessrisiko liegt für den Anspruchsinhaber hier oft in Bewertungsfragen.

 

Beispiel

Im Nachlass finden sich Anteile an einer Kapital- oder Personengesellschaft oder Immobilien, deren Bewertung zwischen den Parteien umstritten ist.

 

Rz. 67

Zusätzlich zu den ohnehin hohen Prozesskosten werden hier mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Sachverständigenkosten für die Parteien entstehen. In dieser Lage wird eine Prozessfinanzierung für den Anspruchsinhaber besonders interessant.

 

Rz. 68

Einen weiteren Gesichtspunkt, der Pflichtteilsansprüche zum häufigen Gegenstand von Finanzierungsanfragen macht, zeigt folgender aus der Finanzierungspraxis des Verfassers stammender Beispielsfall

 

Rz. 69

 

Beispiel

Der Erblasser hat einen ehelichen und einen außerehelichen Sohn. Zu Lebzeiten überträgt der Erblasser sein sämtliches Immobilienvermögen in München an den ehelichen Sohn. Der außereheliche, im Heim aufgewachsene Sohn wird über den Tod des Vaters nicht einmal informiert, erfährt aber dennoch vom Tod des Vaters und will nun seine Pflichtteils-/Pflichtteilsergänzungs-ansprüche geltend machen.

 

Rz. 70

Vorgenannter Beispielsfall illustriert, dass es bei Pflichtteilsansprüchen häufig darum geht, dass die von der Erbfolge ausgeschlossenen, aber pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge konsequent und gezielt vermögensmäßig benachteiligt werden sollen. Solchen Pflichtteilsberechtigten stehen häufig wenige oder gar keine finanziellen Mittel zur Verfügung, um ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Der zur Pflichtteilszahlung verpflichtete Erbe wird und kann daher darauf spekulieren, dass dem Pflichtteilsberechtigten bereits die Mittel fehlen werden, um seine berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Diese Situation ändert sich dann grundlegend, wenn ein Prozessfinanzierer erfolgreich eingeschaltet werden kann und damit Waffengleichheit hergestellt wird. Auch eine Verzögerungstaktik, mit dem Ziel, dem klagenden Pflichtteilsberechtigten am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, bzw. ihn billig abzufinden, kann dann nicht mehr greifen.

 

Rz. 71

Einen Unterfall zu dieser Fallgruppe bilden die Fälle, in denen die Bewertung eines Landgutes nach § 2312 BGB in Rede steht. Der Pflichtteilsberechtigte soll hier oft nach dem landwirtschaftlichen Ertragswert abgefunden werden. Dieser stellt sich auf den Standpunkt die Eigenschaft eines Landgutes sei nicht/nicht mehr gegeben und verlangt daher seinen Pflichtteilsanspruch berechnet auf der Basis des Verkehrswertes. Die hierzu ergangene BGH-Rechtsprechung ist dermaßen einzelfallgeprägt, dass eine einigermaßen verlässliche Prognose über den Ausgang des Prozesses nur sehr schwer erstellt werden kann. Auch wird es für den Anwalt, der sich mit dieser Materie erstmals bzw. selten beschäftigt eine willkommene Unterstützung bedeuten, wenn ihm der gewerbliche Prozessfinanzierer mit seinem Know-how zur Seite stehen kann.

 

Rz. 72

 

Beispiel

Zur Klärung von solchen Bewertungsfragen kann es auch sinnvoll sein, mit dem Prozessfinanzierer die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor Beginn des Prozesses als vom Finanzierungsumfang gedeckt zu vereinbaren. Im Obsiegensfalle werden diese Kosten dann vorab aus dem Erlös dem Prozessfinanzierer wieder erstattet. Anwalt, Anspruchsinhaber und Prozessfinanzierer erhalten auf diese Art und Weise eine sichere Beurteilungsbasis für den beabsichtigten Prozess. Naturgemäß wird eine solche Absprache mit dem Prozessfinanzierer nur in Betracht kommen, wenn zuvor ein wirksamer Finanzierungsvertrag unterzeichnet wurde bzw. der Anspruchsinhaber sich gegenüber dem Prozessfinanzierungsunternehmen durch ein bindendes Angebot bis zum Eingang des einzuholenden Gutachtens rechtlich zum Abschluss des Finanzierungsvertrages verpflichtet hat.

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