a) Bonität des/der Beklagten

 

Rz. 49

Neben der überwiegenden Erfolgsaussicht der Klage ist die Bonität des bzw. der ins Auge gefassten Beklagten für den Prozessfinanzierer eine überragend wichtige Voraussetzung. Da bei erbrechtlichen Streitigkeiten häufig um einen vorhandenen Nachlass gestritten wird, kann diese Voraussetzung eher bejaht werden als in anderen Fallkonstellationen. Weiter wird den Beteiligten aufgrund ihrer oftmals gegebenen engen persönlichen Verbindung die Vermögenslage des Gegners eher bekannt sein, als bei sich einander gegenüberstehenden fremden Dritten. Dieses Wissen kann genutzt werden, um dem Prozessfinanzierer die Bonität plausibel darzulegen. Ist etwa dem Anspruchsinhaber Grundbesitz des Beklagten bekannt, so kann er dem Prozessfinanzierer durch Vorlage eines unbeglaubigten vollständigen Grundbuchauszuges kostengünstig dessen Bonität darlegen. Steht der vorhandene Nachlass unter Nachlassverwaltung oder Nachlasspflegschaft, ist eine Verschiebung von Vermögensgegenständen während der Verfahrensdauer nicht zu befürchten, sodass auch insoweit dem Prozessfinanzierer eher vermittelt werden kann, dass dieser am Ende des Verfahrens auch tatsächlich seine Erlösbeteiligung realisieren können wird.

 

Rz. 50

 

Hinweis

Der Anwalt sollte den Prozessfinanzierer daher auch eigenständig auf mögliche einstweilige Sicherungsmaßnahmen (Rechtshängigkeitsvermerk, Arrest, Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch, Anordnung einer Nachlasspflegschaft, einstweilige Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Rückauflassungsanspruches) hinweisen, um dem Prozessfinanzierer Sicherheit hinsichtlich der Realisierbarkeit der in Rede stehenden Ansprüche zu vermitteln. Dadurch kann der Anwalt seinen Fall für den Finanzierer attraktiver machen.[19]

 

Rz. 51

Schließlich kann auch schlicht die im Raum stehende Höhe der dem Gegner durch Erbschaft zugeflossenen Beträge den Prozessfinanzierer von dessen Bonität überzeugen. Solche Fälle werden aber mehr oder weniger die Ausnahme sein.

[19] Vgl. hierzu den hervorragenden Aufsatz "Das Arrestverfahren im Pflichtteilsprozess" von Thomas Schneider, NJW 2010, 3401 ff.

b) Hohe Streitwerte

 

Rz. 52

Hinlänglich bekannt sind die hohen absoluten Werte, die derzeit und in den nächsten Jahren in Deutschland im Wege der Erbfolge oder der vorweggenommenen Erbfolge den Besitzer wechseln. Es kursieren Zahlen in Höhe von zwei Billionen EUR. Unabhängig davon, wie hoch die Summe der vererbten Gelder- und Vermögenswerte genau sein wird, lässt sich jedenfalls festhalten, dass es sich um hohe absolute Zahlen handelt, mit der unabdingbaren Folge, dass hieraus auch Rechtsstreitigkeiten mit hohen absoluten Streitwerten resultieren. Auch aufgrund der Höhe der in Rede stehenden Streitwerte stellt daher das Erbrecht für den Prozessfinanzierer ein attraktives Betätigungsfeld dar. Besonders attraktiv wird dadurch die Finanzierung eines Erbrechtsstreites über den Prozessfinanzierer auch für den Anwalt, da er hier auch entsprechend hohe Gebühren über den Prozessfinanzierer sicher realisieren kann.

c) Abgeschlossene Sachverhalte

 

Rz. 53

Die Natur der Sache bringt es mit sich, dass sich bei erbrechtlichen Streitigkeiten der Sachverhalt in den meisten Fällen als abgeschlossen darstellt. Im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten ist hier eine weitere Entwicklung des Sachverhaltes während eines laufenden Prozesses ausgeschlossen. Abgesehen von den seltenen Fällen, in denen nachträglich bislang unbekannte letztwillige Verfügungen auftauchen, steht mit dem Tod des Erblassers fest, welche Umstände für die Beurteilung der Erbfolge ausschlaggebend sein können. Die Fälle sind daher für den Prozessfinanzierer hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten eher leichter zu prognostizieren, als Fälle aus anderen Rechtsgebieten. Oftmals wird es sich nur um eine Einschätzung rechtlicher Fragen handeln. Die große Ausnahme von diesem Grundsatz sind allerdings Bewertungsfragen, die bei der Bewertung etwa von Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen entscheidend für den Ausgang eines Prozesses sein können.

d) § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG

 

Rz. 54

Dem Mandanten als Anspruchsinhaber kann vom Anwalt eine Prozessfinanzierung leichter empfohlen werden, als in anderen Rechtsgebieten. Grund dafür ist die effektiv niedrigere Erlösbeteiligung aufgrund steuerlicher Abzugsmöglichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Überschreitet der Erlös aus dem finanzierten Prozess den für den Mandanten geltenden erbschaftssteuerrechtlichen Freibetrag, so kann er die an den Finanzierer abzuführende Erlösbeteiligung insoweit zumindest über § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG steuermindernd einsetzen. Vergleicht man nunmehr den effektiven Mittelzufluss ohne Prozessfinanzierung mit dem effektiven Mittelzufluss bei Prozessfinanzierung, so errechnet sich effektiv eine unter den oben angeführten Standardsätzen von 30/20 % liegende Erlösbeteiligung.

e) Finanzierung auf Beklagtenseite

 

Rz. 55

Eine Besonderheit des Erbrechts besteht darin, dass hier durchaus auch Fälle denkbar sind, in denen der Finanzierer auch dem Beklagten zur Seite stehen kann. Dies ist insbesondere im Bereich der Erbenfeststellungsklag...

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