Rz. 332

Die Berufsfähigkeit des Versicherungsnehmers ist wieder hergestellt, wenn die bedingungsgemäßen Voraussetzungen des Versicherungsfalls nachträglich entfallen sind, also entweder eine bedingungsrelevante Verbesserung des Gesundheitszustandes des Versicherten oder der Eintritt geänderter Umstände es dem Versicherer ermöglichen, einen geeigneten Vergleichsberuf oder eine zumutbare Betriebsumorganisation aufzuzeigen.

Diese geänderten Umstände können darin begründet sein, dass

es neue technische Möglichkeiten gibt, trotz gesundheitlicher Einschränkungen eine bestimmte Tätigkeit auszuüben,
es neue Berufsbilder gibt, auf die der Versicherte als Vergleichsberuf verwiesen werden kann,
der Versicherte selbst neue berufliche Fähigkeiten oder Kenntnisse erworben hat.

Hierbei wird der letztgenannte Fall der praktisch häufigste sein.

 

Beispiel

Ein Service-Mechaniker für Druckmaschinen bzw. Maschinenschlosser, der durch einen Unfall berufsunfähig geworden war, hat nach erfolgreicher Umschulung zum Maschinenbautechniker tatsächlich eine Vollzeittätigkeit als Konstruktionstechniker aufnehmen können. Der Versicherer kann sich im Nachprüfungsverfahren auf dem Wegfall der Berufsunfähigkeit berufen.[713]

 

Rz. 333

Wurde bei bedingungsgemäßer Möglichkeit zur konkreten Verweisung eine neu aufgenommene Tätigkeit, auf die zulässiger Weise verwiesen werden durfte, wieder beendet, ist damit auch der Versicherungsfall beendet. Wenn der Versicherte diese Tätigkeit wieder aufgibt, muss er einen neuen Leistungsantrag stellen. Maßgebliche Vergleichstätigkeit ist – bei unverändertem Gesundheitszustand – dann (erneut) die, die der Versicherte in gesunden Tagen ausgeübt hat und nicht die letzte Verweisungstätigkeit.[714]

[713] OLG München VersR 2016, 384.

1. Gesundheitliche Verbesserung

 

Rz. 334

Es muss eine objektive gesundheitliche Verbesserung bei der versicherten Person kausal zu einem Wegfall der Berufsunfähigkeit oder zumindest einer nach den AVB relevanten Verminderung des Grades der Berufsunfähigkeit geführt haben. Die gesundheitliche Verbesserung ist konkret daraufhin zu untersuchen, ob sie dazu führt, dass nun wieder die ehemalige Tätigkeit oder (erstmals) ein Verweisungsberuf ausgeübt werden kann. Es gilt der Maßstab der AVB entsprechend dem Erstprüfungsverfahren, da es um einen Wegfall der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit geht, so dass ggf. sowohl konkrete, als auch abstrakte Verweisungen möglich sind, je nachdem, was vereinbart wurde. Nicht relevant ist, wie es zu der gesundheitlichen Verbesserung gekommen ist. So ist auch die Durchführung einer riskanten Operation, der sich der Versicherte – ohne hierzu verpflichtet zu sein – unterzogen hat und die zu einer Verbesserung geführt hat, zu berücksichtigen.[715]

 

Rz. 335

Problematisch ist die Frage der gesundheitlichen Verbesserung insbesondere dort, wo der Versicherungsfall einen bestimmten Grad der Berufsunfähigkeit erfordert. Hier ist der Vergleich der Lage bei Erstentscheidung mit der bei Nachprüfung mit besonderen Schwierigkeiten behaftet, weil die Versicherer ihren Entscheidungen häufig keinen bestimmten Grad zugrunde legen. Erfordern die Bedingungen einen Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % und äußert sich der Versicherer nicht ausdrücklich, so ist zu unterstellen, dass der Versicherer nur von dem zur Leistungspflicht mindestens erforderlichen Grad ausgegangen ist.[716] Dies bedeutet, dass im Nachprüfungsverfahren ggf. bereits eine sehr kleine Verbesserung, d.h. ein Absinken auf lediglich noch 49 %, dazu führen kann, dass die Voraussetzungen des Versicherungsfalls wegfallen.

 

Hinweis

Die Feststellungen eines im Nachprüfungsverfahren beauftragten Gutachters wie auch eines Gerichtsgutachters, müssen sich mit der Zustandsveränderung seit dem Anerkenntnis befassen[717] und sich grundsätzlich an dem für das Leistungsanerkenntnis maßgeblichen Berufsbild orientieren.[718] Nur dann ist eine adäquate Vergleichsbetrachtung möglich.

Die Beweislast für eine bedingungsrelevante Verbesserung des Gesundheitszustandes trägt der Versicherer.[719] Solange im Nachprüfungsverfahren eine relevante Besserung des Gesundheitszustandes nicht festgestellt werden kann oder sich die medizinischen Feststellungen nicht an dem maßgeblichen Berufsbild des Ursprungs- oder Verweisungsberufes orientieren, ist ein Wegfall der Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen.[720]

 

Rz. 336

Eine irrtümliche Falschbeurteilung des Gesundheitszustandes des Versicherten und ihre Auswirkungen auf die Abgabe eines Leistungsanerkenntnisses rechtfertigen keine Abänderung im Nachprüfungsverfahren.[721] Dies gilt auch dann, wenn ein Gutachten im Nachprüfungsverfahren ergibt, dass die Berufsunfähigkeit bereits im Zeitpunkt des Anerkenntnisses z.B. infolge einer Fehldiagnose tatsächlich nicht vorgelegen hat. Der Versicherer bleibt vielmehr an sein Anerkenntnis gebunden. Eine unterschiedliche Bewertung des tatsächlich unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer kein Recht zur Leistungseinstellung.[722] ...

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