Rz. 416

Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, bestimmt § 20 S. 1 VVG, dass bei Anwendung des § 19 Abs. 1 bis 4 VVG und § 21 Abs. 2 S. 2 VVG sowie Abs. 3 S. 2 VVG sowohl die "Kenntnis und die Arglist" des Vertreters als auch die des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen sind (vgl. auch § 6 Nr. 3 MB BUV 16). Gleichgestellt ist dem Versicherungsnehmer in Bezug auf die Kenntnis also zunächst sein rechtsgeschäftlicher Vertreter, dessen Kenntnis ihm zugerechnet wird. Allerdings findet die Norm nach der Gesetzesbegründung – entgegen dem missverständlichen Wortlaut – auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung keine Anwendung.[932]

 

Rz. 417

Bei gesetzlichen Vertretungsverhältnissen ist gemäß § 166 Abs. 1 BGB nur die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgebend. Bei juristischen Personen, rechtsfähigen Personengesellschaften oder Körperschaften sind daher grundsätzlich die Kenntnisse des Vertretungsorgans maßgebend.[933]

 

Rz. 418

Generell ist die Kenntnis und das Verhalten der versicherten Person dem Versicherten nach §§ 156, 176 VVG zuzurechnen (vgl. auch § 6 Nr. 2 der MB BUV 16).[934]

 

Rz. 419

Weitergehend ist das Wissen von Dritten dem Versicherungsnehmer nur dann zuzurechnen, wenn er Wissenserklärungsvertreter ist. Wissenserklärungsvertreter ist derjenige, der vom Versicherungsnehmer damit betraut worden ist, an seiner Stelle Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer zu erfüllen oder Erklärungen gegenüber dem Versicherer abzugeben.[935]

 

Rz. 420

Dem Versicherer wiederum ist das Handeln seiner Vertreter zuzurechnen (vgl. §§ 69 ff. VVG). Nach § 72 VVG ist eine Beschränkung der dem Versicherungsvertreter nach den §§ 69 bis 71 VVG zustehenden Vertretungsmacht durch AVB gegenüber dem Versicherungsnehmer und Dritten unwirksam. Für Neuverträge und ab 1.1.2009 auch für Altverträge gibt es daher keine AVB-mäßigen Beschränkungen der Vollmacht eines Versicherungsvertreters mehr.

 

Rz. 421

Bei Versicherungsvermittlern aller Art kommt es darauf an, in wessen Lager sie stehen. ­Insofern differenziert § 59 Abs. 1 VVG zwischen Versicherungsvertretern, die auch als Versicherungsagenten bezeichnet werden, und Versicherungsmaklern. Als Agent wird gemäß § 59 Abs. 2 VVG bezeichnet, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit beauftragt ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Im Gegensatz zum Versicherungsmakler, der gemäß § 59 Abs. 3 VVG für den Versicherungsnehmer die Vermittlung des Versicherungsvertrages übernimmt und dessen Lager zuzurechnen ist,[936] steht der Versicherungsagent im Lager des Versicherers. Kenntnis und Verhalten des Maklers werden dem Versicherungsnehmer gemäß § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet.[937] Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Außerdem kommt auch ausnahmsweise die Zurechnung der Kenntnisse eines Maklers in Frage, wenn dieser für den Versicherer ähnlich wie ein Agent tätig ist.[938]

[932] Vgl. BT-Drucks 16/3945 zu § 20, S. 66.
[933] Vgl. BGH VersR 1990, 278.
[934] BGH r+s 1991, 423.
[935] BGH VersR 1993, 960: nicht ohne Weiteres bei Ehepartnern.
[936] BGH VersR 2008, 809; BGH r+s 2000, 489; BGH VersR 1999, 1481; OLG Zweibrücken VersR 2005, 1373; OLG Köln, Urt. v. 2.3.2012 – 20 U 209/11.
[937] BGH VersR 2008, 809; OLG Köln VersR 2008, 810; OLG Frankfurt zfs 2009, 269.
[938] BGH VersR 2001, 368; BGH r+s 2013, 117.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge