Rz. 410

Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung "die ihm bekannten Gefahrumstände" mitzuteilen, soweit danach gefragt wird. Der frühere § 16 VVG a.F. hatte die Obliegenheit zur Anzeige für die Zeit bis zum Abschluss des Vertrages normiert.[926] Dies bedeutete, dass der Versicherungsnehmer nach altem Recht nicht nur bis zur Abgabe seines Antrages über Gefahren aufklären musste, sondern bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer den Vertrag annahm. Es gab also eine grundsätzliche Nachmeldeobliegenheit.

 

Rz. 411

Das VVG 2008 stellt im Verhältnis dazu den Versicherungsnehmer besser. Für Verträge, die ab dem 1.1.2008 abgeschlossen wurden, gilt damit keine generelle Obliegenheit zur Nachmeldung mehr. Es besteht aber eine erweiterte Anzeigepflicht, sofern der Versicherer gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 VVG nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor der Vertragsannahme weitere Fragen gestellt hat; sodann bleibt der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet. Nach der Gesetzesbegründung genügt eine bloße Belehrung durch den Versicherer, dass er auch solche nachgefragten Umstände anzuzeigen hat, die erst nach der Antragstellung entstanden oder ihm bekannt geworden sind, nicht. Die erweiterte Anzeigepflicht bzw. Nachmeldeobliegenheit nach § 19 Abs. 1 S. 2 VVG ist vielmehr davon abhängig, dass der Versicherer vor Vertragsannahme die (weiteren) Antragsfragen sodann in Textform wiederholt bzw. erstmalig stellt.[927]

 

Rz. 412

Der Gesetzgeber geht insofern davon aus, dass in der Regel das Antragsmodell anzutreffen ist und nicht das Invitatio-Modell,[928] bei dem der Kunde zunächst, durch Übermittlung seiner Vorstellungen und Wünsche lediglich eine Aufforderung an den Versicherer abgibt, ihm ein Angebot zu unterbreiten. Dieses Angebot nimmt der Versicherungsnehmer dann ausdrücklich oder sogar konkludent durch Zahlung der Prämie an.[929] In der Praxis dürfte das Antragsmodell jedenfalls im Bereich der BUV weitaus häufiger anzutreffen sein, schon weil es dem Versicherer regelmäßig darauf ankommen wird, vor Vertragsschluss gezielt Fragen über den Gesundheitszustand und die berufliche Tätigkeit der versicherten Person zu stellen, um sein Risiko abschätzen zu können.

 

Rz. 413

Nimmt der Versicherungsnehmer das Angebot des Versicherers nach dem Invitatio-Modell erst nach Zusendung des Versicherungsscheins an oder aber hat der Versicherer zwischenzeitlich andere Fragen schriftlich gestellt, muss der Versicherungsnehmer – wie früher generell[930] – eine Veränderung der Gefahrumstände bis zum endgültigen Vertragsschuss (durch seine Annahmeerklärung) nachmelden.

 

Rz. 414

Gibt es eine Vertragsänderung und werden im Zuge dessen weitere bzw. neue Fragen gestellt, so kann der Versicherer wegen Verletzung der Anzeigeobliegenheit Rechtsfolgen nur im Hinblick auf die Vertragsänderung herleiten. Der Vertrag in seiner ursprünglichen Form bleibt also, z.B. trotz Rücktritts, bestehen.[931]

[927] BT-Drucks 16/3945, S. 65.
[928] Siehe hierzu Schimikowski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn 2 ff.; Langheid in: MüKo-VVG, § 19 Rn 49.
[929] Vgl. Schimikowski in: Rüffer, Halbach, Schimikowski, § 7 Rn 35.
[930] BGH VersR 1990, 279.
[931] Vgl. OLG Karlsruhe VersR 1992, 1250; OLG Köln VersR 1992, 1252.

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