Rz. 460

Weist der Versicherungsnehmer nach, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat oder nimmt der Versicherer dies von sich aus an, ist der Rücktritt gemäß § 19 Abs. 3 S. 1 VVG ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat das Institut der Kündigung für diese Fallgestaltung durch das VVG 2008 neu eingeführt. Bei einfach fahrlässiger (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) wie auch bei schuldloser Verletzung der Anzeigeobliegenheit kann der Versicherer binnen Monatsfrist kündigen (§ 19 Abs. 3, 21 Abs. 1 VVG). Das Kündigungsrecht ist jedoch nach § 19 Abs. 4, S. 2 VVG ausgeschlossen, wenn der Versicherer den Vertrag auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätte – sodann besteht lediglich ein Recht auf Vertragsanpassung (siehe im Folgenden).

 

Beispiel

Liegen kein durchgängiges Beschwerdebild und keine ärztliche Diagnose vor, die auf eine längerfristige psychische Beeinträchtigung hätten schließen lassen, dann kann trotz umfänglicherer Behandlungen in der Vergangenheit kein Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn die bis zur Vertragsannahme neu auftretenden psychischen Beschwerden fälschlich als nicht gefahrerheblich und bloßen Stimmungsschwankungen eingeordnet wurden. In einem solchen Fall liegt allenfalls leichte Fahrlässigkeit vor; ein Rücktritt ist ausgeschlossen.[1018]

Bei der Kündigung wird der Vertrag erst mit deren Wirksamwerden, d.h. ex nunc, beendet. Die Prämie verbleibt, ebenso wie bei Rücktritt, anteilig beim Versicherer (§ 39 Abs. 1 S. 1 VVG). Für einen eingetretenen Versicherungsfall muss der Versicherer jedoch – anders als beim Rücktritt – leisten.

[1018] OLG Braunschweig VersR 2016, 579.

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