Rz. 18

Eine Definition des Berufs ist in der Regel vertraglich nicht vorgegeben und muss daher anderweitig bestimmt werden. Grundsätzlich ist der Begriff "Beruf" weit zu verstehen und nicht im Sinne eines bestimmten Berufsbildes. Ein Beruf kann daher jede Tätigkeit sein, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Beruf ist danach nicht nur die aufgrund einer persönlichen "Berufung" ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft.[29] Dass diese Tätigkeit nach der Rechtsordnung erlaubt sein muss, versteht sich von selbst.[30]

 

Rz. 19

Demgemäß erlegt § 7 Abs. 1d) MB BU 16/§ 4 Abs. 1d) MB BUZ 16 dem Versicherten auf, eine Beschreibung des zuletzt ausgeübten Berufs der versicherten Person, deren Stellung und Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit sowie von danach eingetretene Veränderungen vorzulegen, um Leistungen zu erhalten. Dies bedeutet, dass ein Berufswechsel während der Vertragslaufzeit grundsätzlich unschädlich bleibt und für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der konkrete neue Beruf entscheidend ist. Auf Angaben im Versicherungsantrag oder -schein kommt es nicht an.[31] Grundsätzlich ist der Beruf maßgebend, von dem die versicherte Person im Leistungsantrag beklagt, ihn nicht länger ausüben zu können.[32]

 

Rz. 20

Zur Bestimmung der Berufsunfähigkeit sind nicht nur gesundheitliche Aspekte relevant. Erst im Zusammenspiel mit den ganz konkreten Anforderungen des maßgeblichen Berufs ergibt sich, inwieweit der Versicherte bei den auszuführenden Tätigkeiten beeinträchtigt ist. Im Prozess genügen daher als Sachvortrag keine Pauschalangaben, wie Berufstyp und Arbeitszeit. Erforderlich ist vielmehr eine genaue Beschreibung der anfallenden Tätigkeiten nach Art, Umfang und Häufigkeit, die für einen Außenstehenden nachvollziehbar ist.[33]

 

Wichtig

Der Darstellung des "Berufes" durch den Versicherten kommt im Hinblick auf die Definition der Berufsunfähigkeit eine besondere Bedeutung zu, da es ihm obliegt, dem Versicherer die letzte ausgeübte Tätigkeit darzulegen, an der sich die weitere Prüfung der Unfähigkeit, diese auszuüben, orientiert. Der Versicherte hat im Prozess hierzu sehr detailliert vorzutragen, um der Gefahr der Unsubstantiiertheit zu begegnen.

Außerdem ist darauf zu achten, dass das Gericht einem zur Prüfung der Berufsunfähigkeit bestellten Sachverständigen konkrete Vorgaben macht, wie die konkrete Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit aussah. Sonst liegen keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vor, um festzustellen, ob der Versicherte aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung noch in der Lage ist, die bisherige Tätigkeit fortzusetzen (siehe auch Rdn 69 ff.).[34]

 

Rz. 21

Die Führung eines Haushaltes, die nicht im Rahmen eines Arbeitsvertrages ausgeübt wird, wurde in früherer Zeit nicht als "Beruf" versichert. Allerdings sehen aktuelle AVB häufig auch die private Haushaltsführung als Beruf an, auch wenn kein Entgelt erzielt wird.[35] In anderen Bereichen der Rechtsordnung ist eine Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit ebenfalls gegeben.[36] Heute dürfe anerkannt sein, dass auch die dauerhafte Tätigkeit als Hausfrau oder Hausmann als Beruf im Sinn der BUV anzusehen ist.[37] Abzugrenzen hiervon sind allerdings vorübergehende Tätigkeiten im Haushalt wegen Arbeitslosigkeit oder Erziehungsurlaub; hier ist noch immer die vormalige Tätigkeit maßgeblich. Außerdem darf bei einer Haushaltsführung neben einer Erwerbstätigkeit nicht ohne Weiteres zur Beurteilung des Umfangs der Berufsunfähigkeit zusätzlich auch auf diese abgestellt werden.[38]

 

Rz. 22

Geht der Versicherungsnehmer mehreren Tätigkeiten nach, z.B. neben einer angestellten Tätigkeit noch einer selbstständigen oder mehreren angestellten Tätigkeiten, so ist dies unschädlich, sofern diese auf Dauer angelegt sind und maßgeblich zum Gesamteinkommen beitragen.[39] Der "Beruf" ist dann die Gesamtheit der Tätigkeiten.

 

Rz. 23

Bei einem Auszubildenden oder Studenten kommt es grundsätzlich nicht auf die Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung an, sondern auf das Ausbildungsziel, also den Beruf, für den die Ausbildung absolviert wird.[40] Aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers hat der Versicherer mit Abschluss des Versicherungsvertrages mit einem Auszubildenden konkludent versprochen, diesen vor der Nichtausübbarkeit des angestrebten Zielberufs zu schützen. Irrelevant ist daher, ob der Versicherte, der nach Abschluss der Ausbildung berufsunfähig wird, noch eine lernende Tätigkeit ausüben kann. Entscheidend ist vielmehr die nach Ausbildungsende angestrebte Tätigkeit, da Ausbildung und spätere Berufstätigkeit verschiedene Stadien eines einheitlichen "Berufs" (zu dem ausgebildet wird), bilden. Bei der Prüfung des Berufs "in gesunden Tagen" ist also nicht auf die Ausbildungszeit, sondern auf das Berufsziel abzustellen.[41]

Werden Ausbildungsgänge abgebrochen bzw. gewechselt,...

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