Rz. 6

Eine Herabsetzung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts kommt in Betracht kommt, wenn der Unterhaltspflichtige in einer neuen Lebensgemeinschaft wohnt, dadurch Kosten für Wohnung oder die allgemeine Lebensführung spart ("Zusammenleben ist billiger") und sich deswegen auch sozialhilferechtlich auf einen – im Rahmen seiner Bedarfsgemeinschaft – geringeren Bedarf verweisen lassen müsste.[3] Daher ist bei der Unterhaltsbemessung die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis zu berücksichtigen, da sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch eine solche Entlastung erhöht.[4]

 

Rz. 7

 

Praxistipp:

Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige nicht neu verheiratet ist und deswegen auch keine Ansprüche auf Familienunterhalt oder sonstige Versorgungsleistungen bestehen.[5]
Dies gilt auch bei einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft.[6]
 

Rz. 8

Die Herabsetzung des ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalts beruht dann auf der Ersparnis durch die gemeinsame Haushaltsführung, die regelmäßig zu einer Kostenersparnis und zu Synergieeffekten führt, die jeden Lebenspartner hälftig entlasten.[7] Der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen kann in diesen Fällen um die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis, höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden.[8] Wird der Selbstbehalt abgesenkt, stehen diese – tatsächlich vorhandenen – Geldmittel insoweit zur Deckung des Unterhaltsanspruchs zur Verfügung. Entsprechendes gilt auch, wenn wegen der Verletzung einer Erwerbsobliegenheit von fiktiven Einkünften des Unterhaltspflichtigen ausgegangen wird.

 

Rz. 9

 

Praxistipp:

Für diesen Ansatz ist es gleichgültig, ob der Unterhaltsanspruch von einem minderjährigen oder volljährigen Kind, einem Ehegatten oder einem Elternteil gegen den Unterhaltspflichtigen geltend gemacht werden. Die Differenzierung erfolgt über die Höhe der unterschiedlichen Selbstbehaltssätze.
In der Praxis ist der Gegenbeweis durch den Unterhaltspflichtigen möglich: Es tritt keine Ersparnis ein (der Partner kostet mehr, als er einbringt!)[9]
Zu berücksichtigen wird hierbei allerdings sein, ob möglicherweise diese Ersparnis wieder durch eine Unterhaltspflicht gegenüber diesem Partner aufgezehrt wird.[10]
[3] BGH, Urt. v. 9.1.2008 – XII ZR 170/05, NJW 2008, 1373 mit Anm. Born = FamRZ 2008, 594 mit Anm. Borth.
[5] BGH v. 17.10.2012 – XII ZR 17/11, NJW 2013, 1305 = FamRZ 2013, 868 mit Anm. Hauß; BGH v. 17.3.2010 – XII ZR 204/08, FamRZ 2010, 802 mit Anm. Viefhues = NJW 2010, 1665. BGH, Urt. v. 9.1.2008 – XII ZR 170/05, NJW 2008, 1373 mit Anm. Born, FamRZ 2008, 594 mit Anm. Borth.
[6] BGH FamRZ 1995, 344.
[8] BGH, Urt. v. 9.1.2008 – XII ZR 170/05, NJW 2008, 1373 mit Anm. Born = FamRZ 2008, 594 mit Anm. Borth und krit. Anm. Weychardt, FamRZ 2008, 778, Graba, FPR 2008, 176–177.
[10] Clausius in jurisPK-BGB (2020), § 1581 BGB Rn 70 m.w.N.

a) Leistungsfähigkeit des Partners

 

Rz. 10

 

Praxistipp:

Erforderlich ist allerdings, dass der neue Partner ausreichend leistungsfähig ist.[11] Umstritten ist hierbei, ob Sozialleistungen als Einkommen in diesem Sinne gewertet werden können.[12]
Unabhängig von dieser dogmatisch umstrittenen Frage, ob Sozialleistungen als Einkommen in diesem Sinne gewertet werden können, sollte in der Praxis darauf geachtet werden, in welcher Höhe der neue Partner Leistungen bezieht und ob es angemessen ist, daraus eine Synergie in Höhe von 10 % des Selbstbehaltes des Unterhaltspflichtigen abzuleiten. Wer z.B. nur 600 EUR Sozialleistungen bezieht, kann unter Beachtung seines eigenen Bedarfes kaum 120 EUR als "fiktive Zwangssubvention" in die Lebensgemeinschaft mit dem anderen Partner einbringen.
Die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Partners muss der Beteiligte darlegen und beweisen, der sich darauf beruft, also i.d.R. der Unterhaltspflichtige, der sich die daraus abgeleitete Reduzierung seines Selbstbehaltes nicht entgegen halten lassen will.
Ausreichender anwaltlicher Sachvortrag ist auch hier unverzichtbar.
 

Rz. 11

BGH v. 17.10.2012 – XII ZR 17/11[13]

Zitat

Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, im Hinblick auf das Zusammenleben der Beklagten mit einem Partner von einer höheren Leistungsfähigkeit auszugehen. Auch diese Annahme begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken.

Allerdings ist bei der Unterhaltsbemessung die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis zu berücksicht...

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