Rz. 510

Haben sich die einem Unterhaltstitel zugrunde liegenden – insbesondere die wirtschaftlichen – Verhältnisse erheblich geändert, so kann Abänderung verlangt werden.[859] Mit dem gegen einen Unterhaltsbeschluss gerichteten Abänderungsantrag gemäß § 238 FamFG – bei sonstigen Titeln § 239 FamFG – werden die materiell-rechtlichen Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) geltend gemacht. Sollen die Rechtsfolgen eines punktuellen Ereignisses (z.B. Erfüllung, Verzicht, Verwirkung) festgestellt werden, ist ein Vollstreckungsgegenantrag gemäß § 767 ZPO zu stellen.[860]

[859] Überblick zu Abänderung bei Entscheidungen und Vergleichen m. Bsp. bei Graba, FF 2013, 388.
[860] Die Abgrenzung ist oft schwierig, in Extremfällen nicht einmal möglich; Beispiel: BGH FamRZ 2005, 1479. In solchen Fällen sollte der Antrag hilfsweise als Vollstreckungsgegenantrag bezeichnet werden.

aa) Abzuändernde Titel

 

Rz. 511

Der Abänderungsantrag kann gestellt werden gegen eine Unterhalts-Endentscheidung (§ 238 Abs. 1 FamFG), gegen einen gerichtlich protokollierten Vergleich (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), gegen einen Anwaltsvergleich mit Vollstreckungsunterwerfung (§ 239 FamFG, § 1044a ZPO), gegen eine vollstreckbare Unterhaltsvereinbarung (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), gegen einen Unterhaltsbeschluss im vereinfachten Verfahren (§ 239 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, §§ 249 ff. FamFG) und gegen ein vollstreckbares notarielles oder gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII vor dem Jugendamt erklärtes Anerkenntnis.[861]

 

Rz. 512

Kein Abänderungsantrag ist zulässig gegen eine einstweilige Anordnung gemäß §§ 119, 49 ff. FamFG[862] und gegen einen im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich (es sei denn, aus dem Vergleich ergäbe sich eindeutig, dass er nicht nur als vorläufig gewollt war, sondern als Dauerregelung).[863]

 

Rz. 513

War ein früherer Unterhaltsantrag wegen damals feststehender Umstände (z.B. fehlende Bedürftigkeit des Gläubigers oder mangelnde Leistungsfähigkeit des Schuldners) abgewiesen worden, so kann kein Abänderungsantrag gestellt werden, sondern nur ein erneuter Leistungsantrag.[864] Stellt sich eine der früheren Entscheidung zugrunde liegende Prognose (insbesondere über zukünftig wegfallende Bedürftigkeit) als falsch heraus, ist ein Abänderungsantrag zu stellen.[865]

[861] BGH FamRZ 2004, 24 und BGH FamRZ 2011, 1041: Beim Anerkenntnis Abänderungsantrag des Gläubigers ohne Bindung an irgendwelche Grundlagen des Titels; ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 1212. Für den Schuldner ist Abänderungs- oder negativer Feststellungsantrag möglich, OLG Köln FamRZ 2000, 905; beim Abänderungsantrag des Schuldners müssen sich wesentliche Umstände nach dem Anerkenntnis verändert haben, BGH FamRZ 2011, 1041. Insgesamt Graba, FamRZ 2005, 678.
[862] Bei noch anhängigem Unterhalts- oder Scheidungsverfahren kann von beiden Beteiligten ein Abänderungsantrag gemäß §§ 119, 54 FamFG gestellt werden. Außerdem ist generell auch ein Zahlungsantrag in voller Höhe zulässig. Der Schuldner kann gegen eine einstweilige Anordnung nur einen negativen Feststellungsantrag stellen.
[864] BGH FamRZ 1982, 259; BGH FamRZ 1990, 863.
[865] BGH FamRZ 1984, 353. Siehe hierzu umfassend Graba, FamRZ 2002, 6.

bb) Verhältnisse i.S.d. § 238 FamFG

 

Rz. 514

Dies sind alle Umstände, die für die Unterhaltsbemessung maßgeblich sein können. Beispiele: Gesetzesänderung, beim Kindesunterhalt Änderung der DT, Wechsel eines Kindes in eine höhere Altersstufe der DT, Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (tatsächliches oder fiktives Einkommen und/oder Vermögen), jetzt anzusetzendes fiktives Einkommen, Versorgungsbeginn, Wegfall oder Hinzukommen von anderen Unterhaltsverpflichtungen, Änderung der Selbstbehaltsätze.

Rechtsfehler in dem abzuändernden Titel können über einen Abänderungsantrag nicht korrigiert werden; vielmehr können die geänderten tatsächlichen Verhältnisse nur auf der Basis der dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden rechtlichen Bewertung berücksichtigt werden.[866] Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (z.B. zur Anrechnungs- und Differenzmethode oder zur Verwerfung der Drittelmethode des BGH[867]) berechtigt bei einem Vergleich[868] und auch bei einer Endentscheidung[869] zur Abänderung. Ebenso ist eine Abänderung bestehender Titel (und auch von Vereinbarungen ohne Titelcharakter) unter den Voraussetzungen des § 36 EGZPO wegen der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Gesetzesänderung möglich.

[866] BGH FamRZ 1979, 694 und seither st. Rspr. des BGH, zuletzt BGH NJW 2012, 384 (15).
[867] BVerfG FamRZ 2011, 437.
[868] BGH FamRZ 2001, 1687; BGH FamRZ 2004, 1356; OLG Köln FamRZ 2002, 675; OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1563.
[869] BGH FamRZ 2003, 848, 852. Ebenso OLG Köln FF 2002, 105 und OLG Köln FF 2002, 215; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1574; OLG Hamm FamRZ 2003, 50.

cc) Nur bei nachhaltiger wesentlicher Änderung nach der letzten Tatsachenverhandlung

 

Rz. 515

Nur eine nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetretene Änderung, die damals nicht als nahe bevorstehend sicher vorhersehbar war, kann berücksichtigt werden.[...

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