unanfechtbar

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderbarkeit von Jugendamtsurkunden

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 323 Abs. 4 ZPO findet auf vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärungen zur Zahlung von Unterhalt entsprechende Anwendung.

2. § 33 Abs. 1, 2 und 3 ZPO finden auf derartige Jugendamtsurkunden keine Anwendung.

3. Die Abänderbarkeit von vor dem Jugendamt abgegebenen Verpflichtungserklärungen richtet sich nach materiellen Recht.

4. Zur rechtlichen Qualifizierung einer solchen Jugendamtsurkunde

5. Eine vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärung ist auch dann einer Abänderung zugänglich, wenn der Verpflichtete sowohl zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde als auch bei Erhebung der Abänderungsklage leistungsfähig ist, er aber zwischenzeitlich leistungsfähig gewesen ist.

 

Normenkette

ZPO § 323; SGB VIII (KJHG) § 59; SGB VIII (KJHG) § 60; BGB §§ 780-781, 1615e a.F.

 

Beteiligte

des Herrn Marek Kasianowski

Rechtsanwälte Skibbe, Bahrenfuss und Schmitz

den minderjährigen Arnold Abraham

Mutter Gesine Abraham

Rechtsanwälte Dr. Hüttemann, Nickel, Hoepner und Kollegen

 

Verfahrensgang

AG Leverkusen (Aktenzeichen 33 F 150/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der seinen Prozeßkostenhilfeantrag zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Leverkusen vom 31. Mai 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht – Familiengericht – Leverkusen mit der Maßgabe zurückverwiesen, Prozeßkostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweigern.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist der nichteheliche Vater des Beklagten. Er erkannte seine Vaterschaft unmittelbar nach der Geburt des Beklagten vor dem Jugendamt Hamburg-Harburg an und verpflichtete sich in einer Urkunde des Jugendamtes Hamburg-Harburg vom 30. November 1995 – H/JA 31 – Urkundenregister Nr. 560/1995 –, dem Kinde in Anpassung an die Regelbedarfsverordnung 1995 vom 1. Januar 1996 an den Regelunterhalt abzüglich zur Hälfte anzurechnender Sozialleistungen in einer Höhe von 249 DM monatlich, vom 7. Lebensjahr bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres in Höhe von 324 DM, sowie vom 13. Lebensjahr bis zu Vollendung des 18. Lebensjahres in Höhe von 402 DM zu zahlen. Ferner unterwarf er sich wegen dieser Beträge der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Der Kläger war seinerzeit Student und auf Grund seines geringen Einkommens leistungsunfähig. In der Hoffnung, daß er sein Studium bald würde beenden können, um dann ausreichend Geld zur Befriedigung der Unterhaltsverpflichtungen zu verdienen, hatte er sich zu der vorgenannten Unterhaltsleistung verpflichtet. Der Kläger beendete sein Studium der Ozeanografie im Jahre 1997 und war ab dem 1. 4. 1997 erwerbstätig, wobei sein Nettoeinkommen ca. 2. 200 DM betrug. Nach Beendigung der befristeten Arbeitsverhältnisse am 3.7.1998 war der Kläger zunächst arbeitslos. Seit Oktober 1998 besucht er eine Umschulungsmaßnahme zur Umschulung als Netzwerkprogrammierer, die voraussichtlich bis September 1999 andauern wird. Während der Umschulungsmaßnahme erhält der Kläger ein Unterhaltsgeld in Höhe von 1. 228,80 DM monatlich.

Der Kläger hat Abänderungsklage erhoben mit dem Ziel, ab dem 3. 7. 1998 keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat seinen Antrag, ihm für diese Rechtsverfolgung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, durch Beschluß vom 31. Mai 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, seine finanzielle Situation habe sich nicht geändert, weil er zum Zeitpunkt der Errichtung der Jugendamtsurkunde sogar ein noch geringeres Einkommen gehabt habe als jetzt. Der dagegen eingelegten Beschwerde des Klägers hat das Familiengericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

II.

Die gem. §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Der vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung kann die für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe notwendige hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht mit der Begründung abgesprochen werden, die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers hätten sich seit der Errichtung der Urkunde nicht geändert.

Der Kläger hat eine Abänderungsklage gem. § 323 ZPO erhoben. Dieses ist die richtige Klageart, wenn ein auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen lautender Titel an die stets wandelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt werden soll, weil sich die für die Verpflichtung zur Leistung maßgeblichen Umständen verändert haben.

Bei dem im vorliegenden Fall abzuändernden Titel handelt es sich um eine vor dem Jugendamt abgegebene Verpflichtungserklärung gem. §§ 59 Abs. 1 Nr. 4, 60 SGB VIII (KJHG). Derartige Titel werden notariellen Urkunden gleichgestellt, so daß auf diese gem. § 323 Abs. 4 ZPO die Vorschriften der Abänderungsklage entsprechende Anwendung finden (vgl. BGH NJW 1985, 64 = FamRZ 1984, 997; OLG Dresden FamRZ 1998, 767; Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 323 Rn. 78).

Allerdings entspricht es der herrschenden, vom Senat geteilten Auffassung, daß...

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