Rz. 535

Unterhaltsleistungen sind für Gläubiger und Schuldner grundsätzlich steuerlich neutral (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG).[897] Wenn Unterhalt für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten gezahlt wird (nicht bei Kindesunterhalt!), kann das jedoch zu Steuervorteilen führen. Denn der Schuldner kann Ehegattenunterhalt steuerlich geltend machen

ohne Mitwirkung des Gläubigers und ohne Nachteile für diesen gemäß § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung[898] bis zu 9.744 EUR jährlich zuzüglich der für die Kranken- und Pflegeversicherung des Gläubigers gezahlten Beiträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Krankenvorsorgeunterhalt) und abzüglich des 624 EUR jährlich übersteigenden Einkommens des Gläubigers, jedoch nur, wenn der Gläubiger Vermögen von höchstens 15.500 EUR hat (§ 33a Abs. 1 S. 4 EStG, R 33a Abs. 2 S. 3 EStR)

oder

mit Zustimmung des Gläubigers und mit möglichen Nachteilen für diesen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bis zu 13.805 EUR (Elementarunterhalt) sowie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zuzüglich der für die Kranken- und Pflegeversicherung des Gläubigers gezahlten Beiträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Krankenvorsorgeunterhalt) jährlich als zusätzliche Sonderausgaben (Realsplitting).[899]
 

Rz. 536

Wenn der Schuldner den Ehegattenunterhalt als außergewöhnliche Belastung geltend macht, wird sich seine Steuerbelastung häufig – insbesondere bei Einkünften des Gläubigers von mehr als 624 EUR jährlich – nicht wesentlich reduzieren, zumal höchstens 9.744 EUR Jahresunterhalt geltend gemacht werden können. Allerdings entstehen für den Gläubiger keine wirtschaftlichen Nachteile. Deshalb kann es in manchen Fällen für beide Beteiligten sinnvoll sein, wenn auf das Realsplitting verzichtet und der Unterhalt nur als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht wird.

[897] Auch, wenn der Schuldner – z.B. wegen Auslandswohnsitz – nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, BFH FamRZ 2004, 1286.
[898] Wenn Sonderbedarf geleistet wird, kann dieser ggf. nach § 33 EStG zusätzlich geltend gemacht werden. BFH BStBl II 1988, 830; BFH BStBl II 1991, 62. Maßgeblich ist nur, ob ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach besteht, BFH FamRZ 2006, 1528.
[899] Zu den in der Praxis auftretenden Problemen beim Realsplitting Arens, FamRZ 1999, 1558; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG v. 14.6.2016 – 2 BvR 290/10, FamRZ 2016, 1646.

a) Vorteile und Nachteile des Realsplittings

 

Rz. 537

Der Vorteil des Realsplittings besteht darin, dass sich die Steuerbelastung des Schuldners in der Regel drastisch ermäßigt. Denn der geleistete Ehegattenunterhalt[900] wird von der Spitze seines zu versteuernden Einkommens abgezogen. Der Schuldner erzielt also eine Steuerersparnis in Höhe seiner persönlichen Spitzensteuerbelastung. Je höher das Einkommen des Schuldners ist, umso größer ist der steuerliche Vorteil.[901] Die Steuerersparnis führt zu einem höheren Einkommen und damit meistens zu höherem Unterhalt; beide Beteiligten haben also Vorteile.

 

Rz. 538

Die Nachteile können allerdings – insbesondere in der Trennungszeit – erheblich sein:

Der Unterhalt wird gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerpflichtiges Einkommen des Gläubigers behandelt. Je höher das eigene Einkommen des Gläubigers ist, umso mehr erhöht sich wegen der Progression seine Steuerbelastung. Diesen Steuernachteil muss der Schuldner ersetzen.
Ggf. entstehen – bei einem steuerlich unkundigen Gläubiger – Steuerberaterkosten, die zusätzlich ersetzt werden müssen.[902]
In allen Bereichen, in denen das steuerpflichtige Einkommen maßgeblich ist, kann sich das Realsplitting schädlich auswirken. Weil der Unterhalt bei Durchführung des Realsplittings als Einkommen zählt und sich die maßgeblichen Einkommensgrenzen nach dem steuerlichen Einkommen richten, können sich negative Auswirkungen z.B. beim Wohngeld, beim Erziehungsgeld, bei Kindergartenbeiträgen, bei Spar- und Wohnungsbauprämien ergeben.
Beachten in der Trennungszeit! Wenn der Gläubiger über die Familienversicherung kostenfrei beim Schuldner gesetzlich krankenversichert ist, kann es nach einer Entscheidung des BSG[903] in der Zeit vor der Scheidung dazu kommen, dass wegen des Realsplittings der Gläubiger eigene Krankenversicherungsbeiträge zahlen muss. Das ist im Jahr 2021 der Fall, wenn der Gläubiger – einschließlich des Unterhalts – ein Einkommen hat, das die Grenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V von zurzeit monatlich 470 EUR übersteigt. Selbst wenn der Gläubiger nichts verdient, aber Unterhalt auch nur in Höhe von 476 EUR erhält, kann der Steuervorteil des Realsplittings mehr als aufgewogen werden durch die Krankenversicherungs-Beitragspflicht.

Es kann auch finanzielle Nachteile geben, die keine steuerlichen Nachteile darstellen.

 

Beispiel

Auf das Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes nimmt das BAföG Bezug ("Einkommen der Eltern"). Der Unterhalt kann danach zu Einkommen werden, das bei der Berechnung der Höhe der BAföG-Leistungen zu berücksichtigten ist. Evtl. werden keine Leistungen mehr gewährt oder der/die Unterhaltsberechtigte wird mindestens zum Teil zahlungspflichtig. Dies ist b...

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