Rz. 74

§ 11 Abs. 6 FeV regelt das Verfahren und hat für die einzuhaltenden formellrechtlichen und materiellrechtlichen Anforderungen der Gutachtenanordnung zentrale Bedeutung.[190]

Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei der Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet,

Anlage 4 und Anlage 5 FeV zu beachten.
dem Betroffenen die Gründe und die genauen Zweifel an der Fahreignung mitzuteilen (schriftliche Begründung, § 11 Abs. 6 S. 2 FeV), wobei an die Begründung der Eignungszweifel strenge Anforderungen zu stellen sind, denn die Gutachtenaufforderung ist nach h.M. nicht selbstständig anfechtbar, weswegen dem Betroffenen – mit Blick auf die in § 11 Abs. 8 FeV vorgesehenen rechtlichen Konsequenzen – die Möglichkeit gegeben werden muss, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist.[191] Erforderlich ist eine substantiierte Darlegung unter Angabe der Tatsachen, auf denen die Eignungszweifel beruhen.[192] Die Beibringung eines Gutachtens darf nur aufgrund konkreter Tatsachen und nicht auf einen bloßen Verdacht hin "ins Blaue hinein" verlangt werden. Ob ausreichende Tatsachen vorliegen, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.[193]
mitzuteilen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung zu klären sind (§ 11 Abs. 6 S. 1).[194] Der Gutachter hat dann das ihm behördlich durch die Fragestellung vorgegebene Prüfprogramm abzuarbeiten. Dabei hat er sich an die von der Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 Abs. 6 S. 1 FeV formulierte und ihm gem. § 11 Abs. 6 S. 4 der Vorschrift mitgeteilte Fragestellung zu halten.[195]
mitzuteilen, welche Stellen hierfür in Betracht kommen (§ 11 Abs. 6 S. 2 FeV). Die behördliche Gutachterbenennung darf dabei nicht widersprüchlich sein. Es muss hinreichend bestimmt sein, welche Begutachtung vom Betroffenen verlangt wird und welche Art Gutachter er beauftragen muss.[196] In der Regel wird eine Liste mit den im Bereich der Fahrerlaubnisbehörde vorhandenen Begutachtungsstellen übersandt. Für den Betroffenen besteht dann Wahlfreiheit, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt.
eine hinreichend bestimmte bzw. bestimmbare Frist zu setzen (§ 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV),[197] die auch angemessen sein muss,
mitzuteilen, dass der Betroffene die zu übersenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 S. 2 letzter Hs. FeV).[198]
 

Rz. 75

Mit den in § 11 Abs. 6 S. 2 FeV geregelten Unterrichtungs- und Informationspflichten (in Verbindung mit der der Behörde in Satz 1 der Vorschrift auferlegten Verpflichtung, die Fragestellung für die Begutachtung konkret festzulegen) soll der betroffene FE-Inhaber in die Lage versetzt werden, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die an ihn gerichtete Gutachtensanordnung rechtmäßig oder – mit der Folge, dass er sich ihr verweigern kann, ohne die negativen Folgen des § 11 Abs. 8 FeV befürchten zu müssen – rechtswidrig ist.[199] Zugleich soll er sich für den Fall der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung auch darüber schlüssig werden können, ob er die mit einer Begutachtung regelmäßig verbundenen Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht und/oder sein Recht auf körperliche Unversehrtheit hinnehmen oder sich – mit der Gefahr, seine FE entzogen zu bekommen – einer entsprechenden Begutachtung verweigern will. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann (siehe dazu oben Rdn 30 ff.),[200] kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden.[201]

 

Rz. 76

Auszugehen ist von der im konkreten Fall für eine Gutachtenanordnung in Betracht kommenden Befugnisnorm. Die Fahrerlaubnisbehörde hat bei Vorliegen von deren tatbestandlichen Voraussetzungen in jedem Fall dem Betroffenen die konkretisierende Fragestellung unter Berücksichtigung des Einzelfalls festzulegen und ihm unter Darlegung der Gründe mitzuteilen. Eine bloße sinngemäße Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen genügt grundsätzlich nicht. In Anschluss daran ist auf der Rechtsfolgenseite ein hinreichend innerer Zusammenhang zwischen dem für die Eignungszweifel Anlass gebenden Sachverhalt und dem in der Gutachtenanordnung festgelegten Prüfprogramm gefordert. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die damit einhergehenden Eingriffe in die Rechte des Betroffenen.[202]

 

Rz. 77

Dort wo eine Gutachtenanordnung ins Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde gestellt ist (vgl. z.B. § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 9 FeV), muss die Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ihr Ermessen ordnungsgemäß ausüben.

 

Rz. 78

Hat die Behörde dabei ausgeführt, es komme nur die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung in Betracht, ohne dies z.B. in Hinblick auf eine bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch mögliche Teilbegutachtung (medizinische oder psychologische Teiluntersuchung)...

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