Rz. 118
Denkbar ist auch ein Anspruch aus dem so genannten Folgenbeseitigungsanspruch (Herstellung des status quo ante). Der Folgenbeseitigungsanspruch ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und nicht normiert. Voraussetzung ist, dass durch hoheitliches Handeln (Aufforderung, MPU beizubringen) in ein subjektives Recht eingegriffen wird (Schutzbereich Art. 2, 1 GG), wodurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird, der noch andauert.
Rz. 119
Voraussetzungen hierzu sind:
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Hoheitliches oder schlichthoheitliches Handeln eines Rechtsträgers des öffentlichen Rechts, |
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Betroffenheit in einer subjektiven Rechtsposition, |
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Rechtswidrigkeit des eingetretenen Zustands, |
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Fortdauer der rechtswidrigen Beeinträchtigung, |
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Unmittelbarkeit (Zurechenbarkeit) der Folgen, |
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Möglichkeit, Zulässigkeit, Zumutbarkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen oder eines gleichwertigen Zustands. |
Rz. 120
Für die Erstattung von Gutachterkosten nach rechtswidriger Gutachtenanordnung bedeutet dies: Ungeachtet seiner rechtlichen Einordnung stellt sich die Gutachtenanforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde jedenfalls als Akt hoheitlicher Gewalt dar.
Durch die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen und der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen, ist in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen worden. Zwar steht es dem Betroffenen grundsätzlich frei, der Aufforderung Folge zu leisten. Bereits die Ankündigung der Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 FeV, wonach im Falle der Nichtbeibringung des Gutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden kann, verleiht aber der Gutachtenanforderung Eingriffscharakter. Damit ist im Falle der rechtswidrigen Gutachtenanordnung und deren Befolgung eine "Betroffenheit im allgemeinen Persönlichkeitsrecht" erfolgt, die auch noch andauert.
Unmittelbar ist die Folge dann, wenn sie direkter Ausfluss der Verwaltungsentscheidung ist. Unmittelbar ist die Folge dann nicht mehr, wenn ein eigener freier Entschluss eines Dritten oder des Betroffenen selbst die Folgen herbeiführt. Auch dieses Merkmal ist hier gegeben, da vor dem Hintergrund der Regelung des § 11 Abs. 8 FeV und mit Blick auf die hierzu ergangene Rechtsprechung von einer Freiwilligkeit und einem freien Entschluss, sich der Begutachtung zu unterwerfen, keine Rede sein kann. Vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung entwickelten Konsequenzen aus der Nichtbefolgung der Gutachtenanordnung kann auch ein Mitverschulden des Betroffenen i.S.d. § 254 BGB nicht angenommen werden.
Rz. 121
Das Hauptproblem der auf einen Folgenbeseitigungsanspruch gestützten Erstattung von Gutachterkosten liegt in dem hierbei geltend gemachten Folgenentschädigungsanspruch. Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt nämlich grundsätzlich auf die Wiederherstellung des ursprünglichen tatsächlichen Zustands, also auf den "status quo ante". In der Rechtsprechung finden sich Ansätze für die Zulässigkeit dieses Folgenentschädigungsanspruchs. Vom BayVGH wurden die Kosten eines Gutachters im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs als erstattungsfähig angesehen. Nach BayVGH kann sich ein Folgenbeseitigungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 2 S. 1 BGB in einen Anspruch auf Ausgleich in Geld wandeln, wenn die Beseitigung mit unverhältnismäßigen, vernünftigerweise nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden wäre. Der Folgenbeseitigungsanspruch kann sich in unserem Fall von einem reinen Wiederherstellungsanspruch zu einem Geldausgleichsanspruch entwickeln, da die Folgenbeseitigung bezüglich des bereits erfolgten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht tatsächlich unmöglich ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Gutachterkosten anerkannt. Im Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch hat er den Vorteil, dass er kein schuldhaftes, sondern lediglich ein rechtswidriges Verwaltungshandeln verlangt.