Rz. 12

Unabhängig von der Tatsache, dass das StVG und die FeV abschließend bestimmen, in welchen Fällen eine MPU verlangt werden kann, sind nach BVerfG[17] der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, wenn eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wird, obwohl die im Einzelfall klärungsbedürftige Frage bei heutigem Stand der Untersuchungstechniken bereits durch eine ärztliche Untersuchung geklärt werden kann. Damit kommt die medizinisch-psychologische Untersuchung immer erst dann in Frage, wenn die ärztliche Untersuchung nicht ausreicht. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der FE-Inhaber den körperlichen und geistigen Anforderungen für die Beförderung von Fahrgästen nicht mehr genügt, so bedarf es zur Klärung dieser Frage in aller Regel zunächst lediglich einer medizinischen Begutachtung. Eine medizinisch-psychologisch Doppelbegutachtung ist nur dann angezeigt, wenn neben der körperlichen und geistigen Eignungszweifeln zusätzlich Zweifel an der charakterlichen Eignung begründeterweise geltend gemacht werden.[18]

 

Rz. 13

Die im Verhältnis zum ärztlichen Gutachten stärkere Eingriffsintensität eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens ergibt sich daraus, dass die im Rahmen der psychologischen Exploration erhobenen Befunde dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung noch näher stehen als die rein medizinischen Feststellungen, die bei einer ärztlichen Fahreignungsbegutachtung zu treffen sind. Sie sind deswegen stärker von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt.[19] Die im Rahmen des psychologischen Teils einer kombiniert medizinisch-psychologischen Untersuchung ermittelten Befunde zum Charakter des Betroffenen, der hierbei Einzelheiten in einer "verhörähnlichen Situation" offenlegen muss, berühren seine Selbstachtung ebenso wie sein gesellschaftliches Ansehen. Hinzu kommt, dass die Beurteilung des Charakters im Wesentlichen auf einer Auswertung von Explorationsgesprächen und damit auf einer Methode beruht, die nicht die Stringenz von Laboruntersuchungen aufweist und Unwägbarkeiten nicht ausschließt.[20] Medizinisch-psychologische Fahreignungsgutachten dürfen deshalb dann z.B. nicht verlangt werden, wenn die entscheidungserheblichen Feststellungen durch Harn-, Blut- oder Haaruntersuchungen geklärt werden können.[21] Denn eine solche Untersuchung greift wesentlich schonender in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein.[22]

[17] BVerfG, Beschl. v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92, zfs 1993, 285 = BVerfGE 89, 69.
[18] OVG d. Saarl., Beschl. v. 6.6.2007 – 1 B 145/07, zfs 2007, 475.
[19] BVerfG v. 24.6.1993, zfs 1993, 285 = BVerfGE 89, 69/83 f.
[20] BVerfG v. 24.6.1993, a.a.O.
[21] BVerfG v. 24.6.1993, a.a.O.
[22] BVerfG v. 24.6.1993, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 27.9.2010 – 11 CS 10.1104, zfs 2010, 653, 656.

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