Rz. 1

Die HOAI in der Fassung 2021 ist für alle Architekten – und Ingenieurverträge, die ab dem 1.1.2021 geschlossen wurden – nunmehr eine Orientierungshilfe für eine angemessene Honorierung. Die HOAI 2021 enthält keine verbindlichen preisrechtlichen Vorgaben mehr. Das Honorar ist auch für Grundleistungen frei vereinbar. Der EuGH hat mit Grundsatzurteil v. 4.7.2019 entschieden, dass die verbindlichen Preisregelungen der HOAI gegen Art. 15 Abs. 1, 2 lit. g) und Abs. 3 Richtlinie 2006/123 EG verstoßen. Der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber hat darauf mit der Abschaffung des verbindlichen Preisrechts in der HOAI 2021 reagiert.[1] Die Parteien entscheiden, ob sie sich an den Berechnungsparametern der HOAI orientieren oder diese vollumfänglich zur Vertragsgrundlage machen oder sie andere Gestaltungen wählen, z.B. ein Pauschalhonorar vorsehen oder eine Vergütung nach Zeitaufwand. In der Praxis ist festzustellen, dass nach wie vor viele Auftraggeber, vor allem öffentliche Auftraggeber, eine Honorierung der beauftragten Leistungen nach der HOAI vorsehen. Auch viele nicht-öffentliche Auftraggeber wählen das Honorarsystem der HOAI, allerdings mit teilweise deutlichen Abweichungen von den nunmehr nicht mehr verbindlichen Honorarparametern. Architekten und Ingenieure als Auftragnehmer orientieren sich natürlich nach wie vor an der HOAI. Sie können allerdings mehr als bisher ihre Kalkulation in die Honorargestaltung einfließen lassen.

Die Vertragsmuster sind so aufgebaut, dass zum einen die Option besteht, sich an den Honorarparametern zu orientieren, zum anderen das Honorar in einer dem Vertrag beigefügten Anlage festgelegt wird.

Mit dem am 1.1.2018 in Kraft getretenen Bauvertragsrecht wurde der Architekten- und Ingenieurvertrag als eigener Vertragstyp in das BGB aufgenommen. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang der Besonderheit des Architekten- und Ingenieurvertrags Rechnung getragen und ihn als dem Werkvertrag ähnlichen Vertrag eingestuft. Die Besonderheit des Architektenvertrags liegt darin, und hierin unterscheidet sich dieser Vertragstypus von allen anderen Werkverträgen deutlich, dass bei Beauftragung des Architekten/Ingenieurs das konkrete Planungsergebnis noch nicht feststeht. Es können vielmehr (nur) Planungs- und Überwachungsziele formuliert werden, die der Architekt/Ingenieur im Rahmen der Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung zu verfolgen und zu realisieren hat.

 

Rz. 2

In der Gesetzesbegründung ist zu lesen, dass die Einordnung der Architekten- und Ingenieurverträge in das Werkvertragsrecht aufgrund der Vielgestaltigkeit der Aufgaben des Architekten nicht einfach ist, da diese Verträge typischerweise viele verschiedene Aufgaben enthalten. Da die Anwendung des Werkvertragsrechts für Architekten und Ingenieure jedoch in einigen Punkten erhebliche, teils unverhältnismäßig belastende Konsequenzen habe, sollen die Regelungen des Werkvertragsrechts nicht uneingeschränkt auf Architekten- und Ingenieurverträge Anwendung finden, sondern den Besonderheiten dieses Vertragstyps durch spezielle Regelungen Rechnung getragen werden.

 

Rz. 3

So hat der Architekt/Ingenieur die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Soweit die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Architekt/Ingenieur eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen und diese zusammen mit einer Kosteneinschätzung dem Besteller zur Zustimmung vorzulegen (sog. Zielfindungsphase). Die Zielfindungsphase gem. § 650p BGB dient zur Klärung der Aufgabenstellung, in den Fällen unklarer Planungs- und Realisierungsmöglichkeiten auch zur Klärung, ob das beabsichtigte Projekt unter den örtlichen Bedingungen nach den Vorstellungen des Auftraggebers mit dem vorgesehenen Finanzrahmen realisiert werden kann oder nicht.[2] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in diesem Stadium bereits ein Architektenvertrag geschlossen wurde und räumt dem Besteller ein Sonderkündigungsrecht nach Vorlage dieser Unterlagen ein. Auch der Architekt/Ingenieur kann kündigen, wenn der Besteller nach angemessener Fristsetzung seine Zustimmung verweigert oder sich nicht äußert.

 

Rz. 4

Der Vereinbarung von Planungs- und Überwachungszielen kommt damit große Bedeutung zu. Die Besonderheit des Architekten-/Ingenieurvertrags kommt auch im Anspruch des Architekten/Ingenieurs auf Teilabnahme seiner bis dahin erbrachten Leistungen ab Abnahme der letzten Unternehmerleistung zum Ausdruck. Schließlich wurde die gesamtschuldnerische Haftung mit den bauausführenden Unternehmen dadurch – allerdings nur leicht – zugunsten des Architekten/Ingenieurs entschärft, als der wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch genommene Architekt/Ingenieur die Leistung verweigern kann, solange der Besteller den ebenfalls haftenden Unternehmer nicht erfolglos zur Nacherfüllung aufgefordert h...

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