Rz. 20

Voraussetzung für die Abgabe einer wirksamen Willenserklärung bei Vollmachten, die das Vermögen betreffen, ist die Geschäftsfähigkeit[25] des Vollmachtgebers auf dem Gebiet der Vermögenssorge. Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105 BGB). Gemäß § 104 Nr. 2 BGB wird die Geschäftsunfähigkeit von der Vermutung der grundsätzlichen Willensfreiheit negativ abgegrenzt. So ist derjenige geschäftsunfähig, der sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Prüfung, ob der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung geschäftsunfähig war, erfolgt grundsätzlich auf zwei Beurteilungsebenen.

 

Rz. 21

 

Prüfungsschema

Beurteilungsebene 1: Zunächst muss festgestellt werden, welche Krankheit ggf. vorlag (diagnostische Ebene). Die Krankheit muss Auswirkungen auf die Bildung eines freien Willens haben. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Geschäftsunfähigkeit nicht vor und die Prüfung kann beendet werden.

Beurteilungsebene 2: Liegen die Voraussetzungen der ersten Bedingungsebene vor, so muss geprüft werden, ob und wodurch sich die Krankheit auf die freie Willensbildung auswirkt (Symptom- bzw. Verhaltensebene).[26] Der Prüfung der zweiten Bedingungsebene muss immer erfolgen, da trotz des Vorliegens einer langjährigen Krankheit (bspw. chronische Schizophrenie) im Regelfall nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die freie Willensbestimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit aufgehoben war.[27]

 

Rz. 22

Der Vollmachtgeber kann sein Recht zum Widerruf auf einen Kontrollbevollmächtigten übertragen, so dass dieser im Falle der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers den Widerruf ausüben kann.

[25] LG Kreuznach, Urt. v. 18.9.2018 – 4 O 19/18, BeckRS 2018, 43009 Rn. 24; Walter, Vorsorgevollmacht, 1997, S. 51; BayObLG, Beschl. v. 16.5.2002 – 3Z BR 40/02, FamRZ 2002, 1220; Bühler, FamRZ 2001, 1585, 1589.
[27] OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.9.2009 – 4 U 124/04.

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