Rz. 168

§§ 2119, 1806 BGB begründen eine Verpflichtung des Vorerben zur mündelsicheren Anlage von Geld, das nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Verwaltung dauernd anzulegen ist. Damit soll verhindert werden, dass der Nacherbe anstelle der Nachlasssubstanz nur Schadensersatzansprüche gegen den Vorerben erhält.

 

Rz. 169

Die Verpflichtung des Vorerben zur mündelsicheren Anlage besteht – im Gegensatz zu den §§ 2116, 2118 BGB – unabhängig von einem entsprechenden Verlangen des Nacherben.[206]

 

Rz. 170

Bei der Prüfung, ob im Nachlass vorhandene Gelder – wozu auch nach dem Erbfall in den Nachlass gelangte Surrogate (§ 2111 BGB) gehören – mündelsicher anzulegen sind, ist zu differenzieren:

(1) Soweit der Vorerbe das Geld kurzfristig zur Verwaltung des Nachlasses benötigt, besteht schon keine Verpflichtung zur mündelsicheren Anlage. Hierunter fallen beispielsweise laufende Betriebsmittel für ein Unternehmen und Bankguthaben zur laufenden Verwaltung des Nachlasses. Die Haftung des Vorerben richtet sich hier nach dem Maßstab des § 2131 BGB (eigenübliche Sorgfalt).
(2) Soweit der Erblasser Gelder in nicht mündelsicherer Weise angelegt hat, besteht keine Verpflichtung des Vorerben, die Anlage in eine mündelsichere umzuwandeln.[207] Dies gilt auch für spekulative Kapitalanlagen; erst wenn ein Verlust droht, muss der Vorerbe eine Umwandlung vornehmen.[208] Auch insoweit gilt der Haftungsmaßstab des § 2131 BGB.[209]
(3) Soweit danach noch Gelder vorhanden sind – z.B. bei Rückflüssen aus Kapitalanlagen des Erblassers –, die für eine mündelsichere Anlage in Betracht kommen, wird bei der Prüfung der Anlagepflicht nicht § 2131 BGB, sondern der Maßstab des § 2119 BGB zugrunde gelegt. Ob vorhandenes Geld nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft dauerhaft anzulegen ist, richtet sich deshalb objektiv nach wirtschaftlichen Kriterien und nicht nach den persönlichen Verhältnissen und Bedürfnissen des Vorerben.[210]
 

Rz. 171

Nach weit überwiegender Meinung[211] bezieht sich die Verweisung in § 2119 BGB nur auf die §§ 1806 f. BGB. Demgegenüber soll § 1809 BGB, der für Anlagen bei einer Bank oder Sparkasse einen Sperrvermerk vorsieht, nicht entsprechend anwendbar sein. Eine Abhebung bei diesen Instituten bedarf deshalb auch nicht der Zustimmung des Nacherben.

 

Rz. 172

Der Nacherbe kann die mündelsichere Anlage im Klagewege durchsetzen.[212]

[206] MüKo/Lieder, § 2119 Rn 6.
[207] Dillmann, RNotZ 2002, 1, 7.
[208] MüKo/Lieder, § 2119 Rn 2.
[209] Staudinger/Avenarius, § 2119 Rn 5.
[210] RGZ 73, 4, 6 f.; Grüneberg/Weidlich, § 2119 Rn 2.
[211] RGZ 73, 4, 8; Staudinger/Avenarius, § 2119 Rn 6; Soergel/Wegmann, § 2119 Rn 3; MüKo/Lieder, § 2119 Rn 7; Damrau/Tanck/Bothe, § 2119 Rn 4; a.A. Ordemann, MDR 1967, 642;.
[212] RGZ 73, 4, 8; Soergel/Wegmann, § 2119 Rn 1.

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