Rz. 25

Ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht kann grundsätzlich auch unter eine auflösende Bedingung gestellt werden. Vorsicht ist hier allenfalls im Hinblick auf § 2302 BGB geboten.

Das OLG Hamm[31] hatte einen Fall zu beurteilen, in dem ein Unternehmer mit seiner zweiten Ehefrau einen relativ weitgehenden Ehevertrag abgeschlossen hatte, in dem der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde, für den Fall der Scheidung gegenseitig und vollständig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet wurde, eine Gütertrennung vorgesehen war und darüber hinaus ein wechselseitiger Verzicht auf alle Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche erklärt wurde. Erst in der Folgezeit, einige Jahre später, wurden diese Regelungen abgeschwächt, nachdem dem Unternehmer-Ehegatten durch mehrere Rechtsanwälte die sicherlich zutreffend erhobenen Bedenken an der Wirksamkeit dieser Regelung mitgeteilt worden war. Zu den Verzichtsverträgen vereinbarten die Eheleute, deren Ehe zu diesem Zeitpunkt ins Wanken geraten war, dass diese grundsätzlich aufrechterhalten bleiben sollten, jedoch ab "sofort" unter der auflösenden Bedingung stünden, dass Herr X seiner hiermit eingegangenen Verpflichtung nicht nachkomme, mindestens per Vermächtnis Frau X im Umfang ihres Pflichtteilsrechts erbrechtlich zu bedenken, wobei Einigkeit bestehe, dass ein solches Vermächtnis nur zu Lebzeiten an Frau X von seinen Erben auszuzahlen sei.

Nichts dergleichen geschah. Der Unternehmer starb, ohne eine entsprechende begünstigende Regelung zugunsten seiner zweiten Ehefrau getroffen zu haben, sodass die Frage auftauchte, ob die Ehegattin einen Pflichtteilsanspruch geltend machen könne, nachdem der Unternehmer seine ersteheliche Tochter zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt hatte.

 

Rz. 26

Das OLG Hamm stellte zutreffend fest, es sei grundsätzlich möglich, Verzichtserklärung mit einer Bedingung zu versehen. Man kennt das aus der Praxis oft in der Variante, dass der Erblasser sich verpflichtet, bestimmte Zahlungen an den Pflichtteilsberechtigten zu erbringen und der Pflichtteilsberechtigte natürlich nur unter der Bedingung verzichtet, dass diese Zahlung auch erbracht werden. Das ist problemlos möglich.

Im vorliegenden Fall kam allerdings die Variante hinzu, dass die Regelungen der Ergänzungsvereinbarung mit § 2302 BGB kollidierten, sodass sie, wollte man sie wörtlich nehmen, als schuldrechtliche Verpflichtung zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen unwirksam gewesen wäre. Allerdings stellt das OLG systematisch eindeutig zutreffend fest, dass zwar die schuldrechtliche Verpflichtung wegen Verstoßes gegen § 2302 BGB unwirksam sei, die eingegangene schuldrechtliche Verpflichtung des Erblassers aber von der daneben vereinbarten auflösenden Bedingung für den Pflichtteilsverzicht zu unterscheiden sei. Allein die vereinbarte auflösende Bedingung verstoße für sich betrachtet nicht gegen das Verbot der Einschränkung der Testierfreiheit. Der Sinn der Regelung ergab dann, dass die beiden Vereinbarungen nicht miteinander stehen und fallen sollten, sodass auch über § 139 BGB keine Gesamtnichtigkeit anzunehmen war. Der wirkliche Wille der Beteiligten lasse sich vielmehr dahingehend feststellen, dass die auflösende Bedingung dann eintreten sollte, wenn der Erblasser seine Ehefrau bis zum Eintritt des Erbfalls nicht in der beschriebenen Weise erbrechtlich bedacht hatte, und zwar unabhängig davon, ob er hierzu schuldrechtlich verpflichtet war oder nicht. Da diese Bedingung nicht eingetreten war, war ein entsprechender Pflichtteilsanspruch der Ehefrau die Folge.

Diese Entscheidung mag Warnung an alle Gestalter sein, es bei der Gesamtregelung eines Ehe- und Erbvertrages nicht zu übertreiben, was den Schutz des möglicherweise unterlegenen Ehepartners, der nicht Unternehmer ist, angeht.

[31] OLG Hamm ErbR 2020,504.

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