Rz. 65

 

Beispiel 14.5

Am 10.7.1983 wird der Schüler B (*1.8.1967) bei einem Verkehrsunfall verletzt. Direktansprüche werden nicht angemeldet. Ob der Unfall für den Fahrzeughalter H unabwendbar war, wurde nicht geprüft.

Im Jahre 2005 wird B in einer Werkstatt für Behinderte untergebracht. Erstmals am 15.7.2012 werden Ansprüche nach § 179 Ia SGB VI vom Regierungspräsidenten (RP) beim Haftpflichtversicherer angemeldet; dieser weist die Ansprüche mit Schreiben v. 18.7.2012 zurück. RP erhebt am 20.7.2013 Klage.

Ergebnis:

1. Haftung

Bei der Haftungsbeurteilung ist auf § 7 StVG a.F. ("Unabwendbarkeit") abzustellen. "Höhere Gewalt" gilt erst für Unfallgeschehen ab 1.8.2002.

Verwirkung (§ 15 S. 1 StVG) ist fraglich, da H im Zweifel vom Schadenfall wegen der eigenen Ansprüche Kenntnis hatte (§ 15 S. 2 StVG).

2. Ansprüche des B

a)

Der Anspruch des B verjährte 3 Jahre nach dem Unfalltag (§ 14 StVG a.F.). B hat keine Ansprüche angemeldet. Mangels Anmeldung erfolgt auch keine Hemmung.

Abzustellen ist auf die Kenntniserlangung der gesetzlichen Vertreter des im Unfallzeitpunkt minderjährigen B. Die Eltern hatten ausreichende Kenntnis am Unfalltag (oder kurze Zeit später). Verjährung trat daher im Sommer 1986 ein.

b) Der Direktanspruch gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer verjährt 10 Jahre nach dem Unfalltag (§ 3 Nr. 3 S. 2 PflVG a.F.[63]). Die 10-Jahres-Frist ist am 9.7.1993 abgelaufen.
c) Am 9.7.2013 greift die absolute Verjährung (30 Jahre ab Unfalltag), § 199 II BGB.

3. Rechtsnachfolger

a)

B war im Unfallzeitpunkt nicht sozialversichert.

Wenn zu späterer Zeit SVT nach § 116 SGB X Regress nehmen wollen bzw. RVT Beiträge nach § 119 SGB X (beachte zusätzlich § 120 SGB X) einfordern, ist für die Kenntniserlangung nicht auf den regressbefugten Sachbearbeiter des SVT abzustellen. B ist vielmehr Rechtsvorgänger der SVT/RVT; diese haben sich die Kenntnis des Geschädigten zurechnen zu lassen.

Die Ansprüche verjähren dabei in der Hand des SVT, auch ohne dass dieser um seine Anspruchsberechtigung weis.

b) Ein Beitragsregress nach § 179 Ia SGB VI ist erst ab 1.1.2001 existent. Vorher war die Forderung stets in der Hand der Geschädigten.

Es kommt für die Verjährung des Anspruchs nach § 179 Ia SGB VI nicht auf die Kenntnis des regressbefugten Mitarbeiters beim RP an. Welche Kenntnisse der Sachbearbeiter zu welchem Zeitpunkt hatte, ist irrelevant, RP muss sich die Kenntnis des B (Geschädigter ist Rechtsvorgänger) zurechnen lassen. RP wurde frühestens im Jahre 2001 (mit der Schaffung des § 179 Ia SGB VI, Systemänderung) Forderungsinhaber und stieg damit in die zu diesem Zeitpunkt bereits verjährte Forderung des B ein.

[63] § 115 II 1 VVG gilt erst für Unfälle ab 1.1.2008.

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