Rz. 105

Nach der seit 2002 geltenden gesetzlichen Neuregelung schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Vorschrift gilt, wenn eine Reparatur vorgenommen wird, ebenso aber, wenn eine Ersatzbeschaffung erfolgt, insbesondere auch im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens.[200] Der Bundesgerichtshof hat inzwischen zu den wichtigsten Problemen bei der Anwendung der Vorschrift Entscheidungen getroffen.

 

Rz. 106

Rechnet der Geschädigte konkret auf der Basis einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung ab, wird er meist Umsatzsteuer bezahlt haben. Soweit dies der Fall ist, ist diese vom Schädiger zu ersetzen. Zahlt der Geschädigte für ein tatsächlich erworbenes Ersatzfahrzeug einen Preis in Höhe des im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Bruttowiederbeschaffungswerts oder auch einen höheren Preis, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des Bruttowiederbeschaffungswerts des unfallbeschädigten Kraftfahrzeug – unter Abzug des Restwerts – ersetzt verlangen. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe der im Gutachten ausgewiesene Bruttowiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthält, kommt es nicht an.[201]

 

Rz. 107

Rechnet der Geschädigte den Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens ab, ohne zur tatsächlichen Abführung von Umsatzsteuer vorzutragen, ist darauf zu achten, ob die dem Gutachten zu entnehmenden Beträge Brutto- oder Nettobeträge sind. Im erstgenannten Fall muss die Umsatzsteuer aus den Beträgen herausgerechnet werden. Hat der Sachverständige, was heute in Gutachten meist der Fall ist, den Wiederbeschaffungswert sowohl mit dem Netto- als auch mit dem Bruttopreis angegeben, besteht kein Anlass zu klären, mit welchem Umsatzsteueranteil Kraftfahrzeuge wie das des Geschädigten auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden.[202] Ist hingegen die Höhe des in den Bruttobeträgen enthaltenen Umsatzsteuersatzes aus dem Gutachten nicht ersichtlich, ist zu klären, ob solche Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt üblicherweise nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden.[203] Dabei kann das Gericht sich im Rahmen der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientieren, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird.[204] Bei fiktiver Schadensabrechnung, ist die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer generell wegen unzulässiger Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung nicht ersatzfähig.[205] Die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer ist auch nicht in Höhe des im Schadensgutachten zugrunde gelegten Umsatzsteueranteils ersatzfähig, weil der Geschädigte im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung den Umstand berücksichtigt wissen will, dass er tatsächlich einen (umsatzsteuerpflichtigen) Ersatzkauf vorgenommen hat, die in der vom Geschädigten gewählten fiktiven Schadensabrechnung enthaltene Umsatzsteuer auf den Wiederbeschaffungswert aber fiktiv bleibt.[206]

 

Rz. 108

Wird Umsatzsteuer neben den Nettokosten einer fiktiven Abrechnung verlangt, muss zu deren Anfall konkret vorgetragen werden. Allein aus der Tatsache, dass eine Reparatur durchgeführt wurde, ergibt sich nicht, dass der Geschädigte mit Umsatzsteuer belastet wurde. Wurde etwa das Unfallfahrzeug in Eigenleistung, mit Hilfe von fachkundigen Bekannten oder in einer Hobbywerkstatt instandgesetzt, ist Umsatzsteuer aller Wahrscheinlichkeit nach nicht angefallen. Denkbar ist dann allenfalls, dass beim Einkauf von Ersatzteilen Umsatzsteuer angefallen ist. Diese kann neben den fiktiv abgerechneten Nettoreparaturkosten geltend gemacht werden.[207]

 

Rz. 109

Im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens an einem Kraftfahrzeug hat der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer nur, wenn er eine Ersatzbeschaffung vorgenommen oder – ungeachtet der Unwirtschaftlichkeit einer Instandsetzung – sein beschädigtes Fahrzeug repariert hat und wenn tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.[208] Im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens seines Kraftfahrzeugs und einer Ersatzbeschaffung bei einem gewerblichen Verkäufer kann der Geschädigte über den vom Gericht geschätzten Differenz-Mehrwertsteuerbetrag im Sinne des § 25a UStG den vollen Mehrwertsteuerbetrag im Sinne des § 10 UStG nicht lediglich abstrakt aufgrund eines Sachverständigengutachtens geltend machen.[209]

 

Rz. 110

Der Geschädigte, der bei Anschaffung eines differenzbesteuerten Fahrzeugs nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist im Hinblick auf seine Schadensminderungspflicht nicht gehalten, sich ausschließlich nach einem regelbesteuerten Fahrzeug umzusehen und ein solches zu erwerben, um zur Entlastung des Schädigers die Vorsteuerabzugsberechtigung geltend machen zu können, wenn auf dem maßgeblichen Markt ...

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