Rz. 36

Grundsätzlich ist auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet.[28]

 

Praxistipp:

Prüfungsmaßstab dafür ist allerdings das Kindeswohl, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen.
Verlässlichkeit des Betreuungsangebotes ist dabei also entscheidender Gesichtspunkt.
Entscheidende Bedeutung hat dabei, wie der andere Elternteil die zeitweise Betreuung des Kindes mit seinen eigenen beruflichen Verpflichtungen vereinbaren will.
Bei einem solchen Angebot muss zumindest eine konkrete Zeitplanung vorgelegt werden.
Bei höchst zerstrittenen geschiedenen Eltern[29] dürfte eine solche konfliktträchtige Regelung kaum den Kindesinteressen entsprechen.[30]
In der Rechtsprechung wurde mehrfach eine Obliegenheit der Mutter bejaht, ein solches ernsthaftes Betreuungsangebot anzunehmen.[31]
Die Darlegungslast liegt bei dem Elternteil, der sich einem substantiiert vorgebrachten und vom Gericht als ernsthaft eingestuften Betreuungsangebot durch den anderen Elternteil widersetzt.[32]
 

Rz. 37

Bietet der Kindesvater an, sich weitergehend – Ausweitung der Umgangszeiten – an der Betreuung zu beteiligen, um der Kindesmutter eine vollschichtige Erwerbsmöglichkeit zu ermöglichen, ist eine Umgestaltung des Umgangsrechts zu bedenken.[33] Maßstab ist dabei allerdings das Kindeswohl und nicht das wirtschaftliche Interesse des unterhaltspflichtigen Ehegatten.

 

Rz. 38

 

Praxistipp:

Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich,[34] denn es sollte vermieden werden, das Unterhaltsverfahren mit einem Umgangsverfahren zu vermengen.[35]
Sofern darüber Streit besteht, ob die Ausweitung dem Kindeswohl entspricht, ist dieser nicht im Unterhaltsverfahren, sondern in einem Abänderungsverfahren (§§ 166 FamFG, 1696 BGB) zu klären.
Liegt bereits eine gerichtliche Umgangsregelung vor, ist dabei besonders die hohe gesetzliche Hürde für deren Abänderung in § 1696 BGB zu beachten (siehe § 23 Rdn 55).
Der der Versuch, eine erweiterte Erwerbsobliegenheit durch eine Abänderung einer bestehenden Umgangsregelung durchzusetzen, dürfte daher wenig Aussicht auf Erfolg haben. Denn bei diesem Anliegen stehen wirtschaftliche Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils im Vordergrund, nicht aber das für die Umgangsregelung maßgebliche Wohl des Kindes.

Die Berufung auf einen Loyalitätskonflikt des Kindes scheidet praktisch aus, wenn ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfindet.[36]

[28] BGH NJW 2012, 1868 = FamRZ 2012, 1040; BGH FamRZ 2011, 1209 mit Anm. Viefhues; BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 20/09, NJW 2010, 3369 mit Anm. Born = ZFE 2010, 467 = FamRZ 2010, 1880 = FF 2010, 490 mit Anm. Viefhues.
[29] KG FamRB 2009, 69 = FamRZ 2009, 981 (LS).
[30] Schilling, FF 2008, 279, 281; Reinken, FPR 2010, 125, 127.
[34] BGH v. 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880–1884; vgl. auch Schlünder, FF 2013, 92, 103.
[35] Vgl. auch NK-BGB/Schilling, 2. Aufl., § 1615l Rn 12; Born, NJW 2011, 2433, 2434.

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