Rz. 539

Für den Wegfall eines Bezugsrechts kommt vor allem dessen Widerruf in Betracht; es gelten die bereits dargestellten Voraussetzungen für die Einräumung bzw. Änderung (siehe Rdn 525 ff.). Der Widerruf kann verbunden werden mit der Einräumung eines neuen Bezugsrechts. Eine das Bezugsrecht ändernde Erklärung muss hinreichend deutlich sein und klar erkennen lassen, in welcher Weise das Bezugsrecht geändert werden soll.[900] Bei Zweifeln ist die Reichweite des Widerrufs einer Bezugsberechtigung für jeden Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.[901] Die mit der Bitte, den Rückkaufswert auf das eigene Konto zu überweisen verbundene Kündigung einer Kapitallebensversicherung durch den berechtigten Versicherungsnehmer beinhaltet nach der umstrittenen Rechtsprechung mangels geeigneter Anhaltspunkte im Regelfall nicht zugleich den Widerruf der einem Dritten (hier der früheren Ehefrau) eingeräumten Bezugsberechtigung für den Todesfall. Verstirbt der Versicherungsnehmer in diesem Fall, bevor die Versicherung durch Kündigung beendet ist, so ist die wegen Eintritt des Versicherungsfalls fällige Todesfallleistung an die bezugsberechtigte Person auszuzahlen.[902]

 

Rz. 540

 

Beachte

Tritt der Versicherungsnehmer seine Rechte aus einer Lebensversicherung ab, dann liegt darin nicht grundsätzlich auch der konkludente Widerruf einer etwaigen Bezugsberechtigung. Jedenfalls wird bei einer Sicherungsabtretung im Allgemeinen nicht anzunehmen sein, der Versicherungsnehmer wolle etwaige Bezugsrechte vollständig widerrufen.

Die formularmäßige Erklärung im Rahmen einer Sicherungsabtretung, der Versicherungsnehmer widerrufe für die Dauer der Abtretung ein etwaiges Bezugsrecht, insoweit es den Rechten des Zessionars entgegenstehe, ist nach der Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht nicht vollständig widerruft, sondern nur dahin einschränkt, dass es hinter den vereinbarten Sicherungszweck zugunsten des Zessionars zurücktritt.[903] Nicht von dem Zessionar benötigte Teile der Versicherungssumme werden von der Abtretung daher nicht erfasst und stehen weiterhin dem Bezugsberechtigten zu. Insoweit bleiben die nur zurückgesetzten Bezugsrechte voll wirksam.[904] Voraussetzung für die Begründung dieses Rangverhältnisses ist jedoch, dass der Sicherungszweck, welcher der Bezugsberechtigung vorgehen soll, inhaltlich klar und der Höhe nach bestimmbar ist. Auch nach erfolgter Sicherungsabtretung ist der Versicherungsnehmer weiterhin befugt, ein Bezugsrecht auf einen anderen zu übertragen.[905]

Soweit jedoch der Sicherungszweck erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalls wegfällt, bleibt der Widerruf der Bezugsberechtigung wirksam und der Zessionar wird Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistung. Der Versicherer wird mit der Zahlung an den Zessionar von der Verpflichtung zur Leistung frei. Es stellt sich dann die Frage, an wen der Zessionar die Versicherungsleistung weiterzuleiten hat. Diesbezüglich sehen die Abtretungsvereinbarungen der Banken und Sparkassen teilweise eine Drittbegünstigungsklausel vor, dass ein Überschuss aus der Verwertung an den bisherigen Bezugsberechtigten auszukehren ist.[906] Der Versicherungsnehmer kann das Bezugsrecht des Dritten nicht nur nachträglich durch den vorstehend beschriebenen eingeschränkten Widerruf, sondern auch bei Abschluss des Versicherungsvertrages so ausgestalten, dass es von vornherein gegenüber einer schon erfolgten oder noch vorzunehmenden Sicherungsabtretung nachrangig ist. Ob dies der Fall ist, hängt davon ab, wie die dem Versicherer gegenüber abzugebenden einseitigen Erklärungen des Versicherungsnehmers über die Begründung des Bezugsrechts und die Abtretungsanzeige nach § 133 BGB auszulegen sind. Ergibt die Auslegung, dass das Bezugsrecht von vornherein nur in einem durch den Zweck der Sicherungsabtretung an einen bestimmten Gläubiger eingeschränkten Umfang begründet worden ist, bedarf es demgemäß bei einer nachfolgenden Sicherungsabtretung zur Begründung des Vorrangs des Sicherungsnehmers keines Widerrufs des Bezugsrechts mehr.[907]

 

Rz. 541

Ein unwiderrufliches Bezugsrecht kann nicht ohne oder gegen den Willen des Bezugsberechtigten widerrufen werden. Stimmt dieser zu, handelt es sich um einen Verzicht auf das unwiderrufliche Bezugsrecht.

 

Rz. 542

Möglich ist der Wegfall des Bezugsrechts auch durch Anfechtung nach den Vorschriften der InsO bzw. des AnfG. Hier ist zu unterscheiden: Soweit bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags ein unwiderrufliches Bezugsrecht zugunsten eines Dritten eingeräumt wurde, gehörte der Versicherungsvertrag von Anfang an nicht zum Vermögen des Versicherungsnehmers. Anfechtbar sind daher nur die Prämienzahlungen durch den Versicherungsnehmer, nicht hingegen die Einräumung des Bezugsrechts selbst. Soweit erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages ein unwiderrufliches Bezugsrecht zugunsten eines Dritten eingeräumt wurde, kann die Einräumung des Bezugsrechts selbst angefochten werden.[908] Wird ein unwiderrufliches...

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