Rz. 334

Nach § 168 Abs. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, wenn es sich um einen Vertrag gegen laufende Prämienzahlung handelt. Ist eine Kapitalversicherung für den Todesfall in der Art genommen, dass der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist, so steht das Recht zur Kündigung dem Versicherungsnehmer auch dann zu, wenn eine Einmalprämie vereinbart ist (§ 168 Abs. 2 VVG).

 

Rz. 335

Nach § 168 Abs. 3 VVG finden die Absätze 1 und 2 des § 168 VVG keine Anwendung auf einen für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen hat. Verwertung in diesem Sinne ist jede Nutzung des wirtschaftlichen Wertes der Versicherung zugunsten eines Versicherungsnehmers oder Dritten (z.B. durch Kündigung, Beleihung, Verpfändung oder Abtretung der Ansprüche im Erlebensfall). Eine Abtretung der Ansprüche im Todesfall dürfte hingegen trotz Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses möglich sein, da mit dem Tod des Versicherungsnehmers der Zweck des Verwertungsausschlusses entfällt. Der Ausschluss der Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand nach § 168 Abs. 3 VVG (sog. Verwertungsausschluss) erfolgt regelmäßig durch gesonderte Vereinbarung und setzt zu seiner Wirksamkeit jeweils übereinstimmende Willenserklärungen des Versicherungsnehmers und des Versicherers voraus. Gemäß der Wissensdatenbank SGB II der Bundesagentur für Arbeit reicht es für das Vorliegen eines Ausschlusses der Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand aus, wenn die Verwertung vor Vollendung des 60. Lebensjahres ausgeschlossen ist.[504] Ist für bestimmte Berufsgruppen ein früherer Rentenbeginn vorgesehen (z.B. Piloten), gilt diese Altersgrenze. Der Wert der vom Ausschluss der Verwertbarkeit betroffenen Ansprüche darf die in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bestimmten Beträge nicht übersteigen (Stand: 11.4.2017: 750 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens jedoch 50.250 EUR bei nach dem 31.12.1963 Geborenen bzw. 49.500 EUR bei nach dem 31.12.1957 und vor dem 1.1.1964 Geborenen bzw. 48.750 EUR bei vor dem 1.1.1958 Geborenen). Zu beachten ist, dass die Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses im Hinblick auf die Leistungen nach SGB II nicht rückwirkend eingreift.[505] Bei Insolvenz des Versicherungsnehmers hindert ein vereinbarter Verwertungsausschluss den Insolvenzverwalter nicht, den Versicherungsvertrag zu kündigen (zur Beratungspflicht im Hinblick auf einen "Insolvenschutz" bei Beantragung eines Verwertungsausschlusses siehe Rdn 53).[506] Der Insolvenzverwalter sei an den im Verwertungsausschluss vereinbarten Kündigungsausschluss nicht gebunden. Er könne in Anwendung des Rechtsgedankens des § 851 Abs. 2 ZPO den Versicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert für die Masse beanspruchen.

 

Rz. 336

Kein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers besteht darüber hinaus für pfändungsgeschützte Versicherungsverträge i.S.d. § 851c ZPO (vgl. § 168 Abs. 3 S. 2 VVG).

 

Rz. 337

Gemäß § 168 VVG hat der Versicherungsnehmer jederzeit die Möglichkeit, seine Lebensversicherung in einen pfändungsgeschützten Vertrag umzuwandeln, der den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht. Soweit dies der Fall ist, soll der Schutz des Versicherungsnehmers vor einer Bindung an überlange Verträge nicht gelten, da die langfristige Bindung zwingende Voraussetzung für die Gewährung des Pfändungsschutzes ist.[507]

 

Rz. 338

Da gem. § 168 Abs. 3 S. 2 VVG das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nur insoweit ausgeschlossen ist, soweit die Ansprüche nach § 851c ZPO nicht gepfändet werden dürfen, besteht ein Teilkündigungsrecht des Versicherungsnehmers für den Lebensversicherungsvertrag, soweit das Deckungskapital über die Pfändungsfreigrenzen nach § 851c Abs. 2 ZPO hinausgeht und soweit der Versicherungsvertrag die Möglichkeit zur Teilkündigung vorsieht.

 

Rz. 339

 

Beachte

Auch bei steuerlich geförderten Basisrentenverträgen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG besteht ein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers. Bei Basisrentenverträgen ist jedoch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt, dass die Kündigung nicht zur Auszahlung des Rückkaufswertes, sondern nur zur Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung führt. Eine solche Klausel verstößt weder gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), noch weicht eine solche Klausel vom gesetzlichen Leitbild des § 168 Abs. 3 VVG ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).[508]

 

Rz. 340

Unberührt von dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung bleibt in engen Grenzen die für die Lebensversicherung bestehende Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 BGB oder aus wichtigem Grund nach § 314 BGB oder ausnahmsweise wegen Unzumutbarkeit.[509] Unberührt von dem Ausschluss der ordentlichen Kü...

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