Rz. 116

TraffiStar S350 war das erste Messverfahren, welches nach Inkrafttreten des neuen MessEG eingeführt wurde. Damit liegt keine Bauartzulassung nach altem Eichrecht vor, sondern eine Konformitätsbescheinigung des Herstellers sowie eine Baumusterprüfbescheinigung. Bei letzterer ist die PTB jedoch nicht mehr als Oberbehörde, sondern privatwirtschaftlich tätig. Entgegen anfänglicher Bedenken einzelner Amtsgerichte[29] und des 54. Verkehrsgerichtstags[30] handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.[31]

Einzig der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes sieht beim Messgerät TraffiStar S350 eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren in seiner Ausprägung als Recht auf wirksame Verteidigung. Die Konformitätsprüfung durch die PTB verhelfe nicht darüber hinweg, da die vorgelagerte Prüfung spätere Fehler nicht per se ausschließe.[32] Im Saarland sind die Behörden an diese Rechtsauffassung bis auf Weiteres gebunden.[33] Ausnahmen hierzu finden sich allenfalls bei Entscheidungen zu Fahrtenbuchauflagen, da es sich hierbei um präventive Maßnahmen handeln soll.[34]

Hingegen sprechen die Obergerichte der übrigen Bundesländer einhellig der Verteidigung ein Einsichtsrecht in nachträglich gelöschte Daten ab. Begründet wird dies damit, dass nach der BGH-Rechtsprechung zum standardisierten Messverfahren nicht der Einzelmesswert überprüfbar sein muss, sondern es allein auf die Überprüfung des Messgerätes selbst ankommt. Die Richtigkeit der Funktionsweise stellt wiederum die PTB sicher; zudem seien geräteintern weitere Kontrollmechanismen vorhanden. Das Gericht hat daher von der Messrichtigkeit auszugehen, dass nach erfolgter Zulassung keine Notwendigkeit der Integration von Zusatzdaten besteht. Ein Erkenntnisgewinn aus diesen Zusatzdaten sei nach richterlicher Auffassung ohnehin beschränkt und erlaube nur "gewissermaßen falsifizierend" Plausibilitätseinschätzungen. Daher könne das Recht auf ein faires Verfahren durch die Löschung von Zusatzdaten nicht tangiert sein.[35]

 

Praxistipp

Im Gegensatz zur prinzipiell ähnlichen Thematik bei Messgeräten wie PoliScan oder ES8.0 ist hier zu beachten, dass nicht ursprünglich generierte Daten wieder gelöscht werden. Beim TraffiStar S350 werden sie von Anfang an überhaupt nicht gespeichert.

Die Diskussion über Verteidigerrechte bezüglich Überprüfbarkeit der Messung kreisen hier um die quasi schwächste Abwandlung, nämlich den bislang zweifelhaften Anspruch der Verteidigung auf Schaffung solcher Messwerte. Nachdem es jedoch weitere standardisierte Messverfahren gibt, die überhaupt keine Dokumentation speichern – wie RIEGL FP21 – ist nicht erkennbar, dass sich beim TraffiStar S350 in absehbarer Zeit etwas an der aktuellen rechtlichen Situation ändern wird.

Im Übrigen kann hierzu auf die Argumente zu den o.g. Verfahren verwiesen werden.

Das Tatgericht hat in seinem Urteil zumindest das Messverfahren, das Messgerät sowie die PTB-Zulassung mitzuteilen.[36]

 

Rz. 117

Insoweit bleibt es auch hier zunächst erforderlich, durch einen Sachverständigen konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zu erörtern und diese in der gebotenen Form anzubringen um das Tatgericht zur weitergehenden Aufklärung zu bewegen.

Ein Verstoß gegen die Polizeirichtlinie des Bundeslandes, wonach die Geschwindigkeit auf Autobahnen nur mit fest installierten Messgeräten erfolgen darf, führt grundsätzlich zu keinem Beweisverwertungsverbot, wenn die Regelung allein Überschneidungen von Behördenkompetenzen verhindern soll.[37] Im Falle einer systematischen Missachtung und damit willkürlichen Verletzung einer internen Verwaltungsanordnung kann dies jedoch anders gewichtet werden.[38] Entsprechend entsteht ein Beweisverwertungsverbot, wenn die Behörde sich bewusst über die Bestimmung hinwegsetzt, welche die Auswertung der Rohmessdaten durch Privatpersonen verbietet.[39]

[29] AG Kassel, Urt. v. 24.8.2016 – 386 OWi – 9643 Js 8224/16; AG Stralsund, Urt. v. 7.11.2016 – 324 OWi 554/16, Rn 14, juris.
[30] Https://www.gdv.de/resource/blob/10376/a83351d25a0a89d4f07e0e210697a991/download--pdf--792654184-data.pdf.
[31] AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn 16, juris; AG Mettmann, Urt. v. 14.3.2017 – 33 OWI 97/16, Rn 9, juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.11.2016 – 2 SsOWi 161/16 (89/16), Rn 6, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.1.2017 – IV-3 RBs 20/17, Rn 6, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2017 – 5 RBs 29/17, BeckRS 2017, 107549 Rn 8.
[32] VerfGH Saarland, Urt. v. 5.7.2019 – Lv 7/17, Rn 85, juris = zfs 2019, 527 = NZV 2019, 414 = DAR 2019, 500.
[33] Vgl. etwa: OVG Saarlouis, Beschl. v. 30.3.2020 – 1 B 15/20, Rn 12, juris = NJW 2020, 1537 = VRR 2020, Nr. 5, 25.
[34] VG Saarlouis, Urt. v. 9.12.2020 – 5 K 736/20, Rn 42, juris m.w.N.; anders aber: OVG Saarlouis, Beschl. v. 7.10.2020 – 1 B 272/20, Rn 18, juris.
[35] BayObLG, Beschl. v. 9.12.2019 – 202 ObOWi 1955/19, Rn 13, juris = DAR 2020, 145 m.w.N.; vgl. hierzu auch Peuker, NZV 2019, 443.
[37] A...

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