Rz. 51

Den PoliScan Speed Messgeräten wurde die Bauartzulassung seitens der PTB erteilt. Entsprechend gilt auch dieses Messverfahren obergerichtlich als standardisiert im Sinne der BGH-Rechtsprechung.[3] Der Einsatz des Messgeräts in einem Enforcement Trailer ändert nichts daran, dass die Messung als standardisiertes Messverfahren angesehen wird.[4] Selbstverständlich hat die Verteidigung ein Einsichtsrecht in vorhandene relevante Unterlagen wie die Bedienungsanleitung.[5]

Vereinzelt wurden erstinstanzlich erhebliche Schwachstellen bei den Gerätesoftwareversionen 1.5.5 und 3.2.4 angenommen. Die seitdem bekannten Zweifel führten jedoch nicht zum Entzug der Bauartzulassung, weshalb nach wie vor grundsätzlich von einem standardisierten Messverfahren auszugehen ist.[6]

Ebenso wie beim ES3.0 stellt sich hier die Black-Box-Problematik; der Hersteller bietet dem Gericht und der Verteidigung keine Möglichkeit der Einsichtnahme in die Rohmessdaten. Angesichts der Zulassung entfällt damit nicht das standardisierte Messverfahren per se, jedoch ist für eine weitergehende gerichtliche Sachaufklärung der Verteidigervortrag erforderlich zu konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung. Mangels einer tatsächlich vollumfänglichen Überprüfbarkeit der Messung wird also die Verteidigung beschnitten. Dem von einigen Amtsgerichten gesehenen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren[7] wird hier regelmäßig entgegengehalten, dass auch in Strafsachen regelmäßig allgemein anerkannte kriminaltechnische oder rechtsmedizinische Untersuchungsverfahren verwertet werden, ohne Kenntnis deren genauer Funktionsweise. Im Hinblick auf den Massencharakter von Verkehrsordnungswidrigkeiten – wofür der BGH gerade das Institut des standardisierten Messverfahrens entwickelt hat – könne hier umso weniger eine unzulässige Behinderung der Verteidigung gesehen werden.[8]

Urheber- oder datenschutzrechtliche Einwände gegen die Herausgabe der Daten an den Verteidiger oder an einen Sachverständigen bestehen jedenfalls nicht.[9] Vielmehr sind die unverschlüsselten Rohmessdaten der konkreten Messung und Messreihe im Hinblick auf ein faires Verfahren und zur Ermöglichung einer aktiven Verteidigung bereits im Verwaltungsverfahren herauszugeben.[10] Die Verfügungsbefugnis steht der Behörde zu, die diese Daten erzeugt und abgespeichert hat und sie demzufolge auch sachverständig auswerten lassen darf.[11]

 

Rz. 52

 

Praxistipp

Zur Herausgabe der unverschlüsselten Rohmessdaten ist zunächst die Bußgeldbehörde als Besitzerin der Messdaten aufzufordern. Weigert sie sich generell, ist ein Beschluss gem. § 62 OWiG herbeizuführen. Beruft sie sich darauf, dass sie die unverschlüsselten Daten selbst nicht besitzt, wäre gem. § 62 OWiG ein Beschluss dahingehend herbeizuführen, dass sie sich diese Daten von ihrem Vertragspartner, also vom Hersteller besorgen muss. Bleibt die Herausgabe aus, kann das Gericht die Sache nach § 69 Abs. 5 OWiG zurückverweisen oder direkt nach § 47 OWiG einstellen.[12]

Beim Antrag auf Herausgabe (vorhandener) Messdaten und weiterer Informationen handelt es sich übrigens nicht um einen Beweisantrag, sondern um einen Auskunftsantrag. Er muss nicht per Beschluss verbeschieden werden. Daher kann auch gegen eine formlose Mitteilung Beschwerde eingelegt werden.[13] Hingegen handelt es sich bei der hier aufgeworfenen Problematik der fehlenden Datenspeicherung im Zweifel nicht um Maßnahmen i.S.d. § 62 OWiG, sondern um unselbstständige vorbereitende Maßnahmen zur nachfolgenden Sachentscheidung.[14]

 

Rz. 53

Es verbleibt also bis auf weiteres dabei, dass seitens der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte vorzubringen sind. Nur dann hat das Gericht eine weitere Sachaufklärung zu veranlassen. Erst wenn diese letztlich an der Herausgabe erforderlicher Messdaten durch den Hersteller scheitert, ist zu überlegen, wie weiter verfahren wird. Die Verteidigung muss also von sich aus aktiv werden, um an diesen Punkt zu gelangen. Hierbei sollte der bislang weniger beachtete Hinweis des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitet werden, wonach bei der Frage der Relevanz von Informationen für die Verteidigung maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen abzustellen ist: "Es kommt deshalb insofern nicht darauf an, ob die Bußgeldbehörde oder das Gericht die in Rede stehende Information zur Überzeugung von dem Verstoß für erforderlich erachtet."[15]

Die Anordnung der Löschung der "Hilfsdaten" wurde von der PTB beschlossen. Beruht dieser Beschluss auf technisch einwandfreien Erwägungen, wird hieran nichts zu ändern sein. Die Änderung der Baumusterbescheinigung beruhte aber auf der Annahme, dass die gelöschten Daten mit mess- und eichrechtlich relevanten Messgrößen verwechselt werden können. Sofern hier ein Eingriff in Informationsrechte des Betroffenen erfolgreich geltend gemacht werden soll, müsste dem Tatgericht nachgewiesen werden, dass gerade die gelöschten Informationen für die Überprüfung des konkreten Tatvorwurfs relevant sind. Der Maßstab dieser Relevanz ist – wie eben darge...

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