Rz. 10

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann der Dienstvertrag eines Vorstandsmitglieds einer AG aus wichtigem Grund gekündigt werden. Voraussetzung für die außerordentliche (i.d.R. fristlose) Kündigung[13] ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB und die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB unterscheiden sich von denjenigen des § 84 Abs. 4 S. 1 AktG. Als "Regel" kann gelten, dass der wichtige Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB einen wichtigen Grund nach § 84 Abs. 4 S. 1 AktG darstellt, wohingegen umgekehrt der wichtige Grund i.S.d. § 84 Abs. 4 S. 1 AktG nicht immer den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB genügt.

 

Rz. 11

Die Prüfung zu § 626 BGB erfolgt zweistufig. Zunächst ist zu fragen, ob das Vorstandsmitglied seine Pflichten, die sich aus Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag ergeben, (grob) verletzt hat. Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob die festgestellte Pflichtverletzung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Es ist also eine Interessenabwägung erforderlich, ob der Gesellschaft trotz der Pflichtverletzung eine Fortsetzung des Anstellungsvertrags bis zur ordentlichen Beendigung zumutbar ist. Hierbei sind insbesondere die Schwere der Verfehlungen einschließlich des Verschuldens des Vorstandsmitglieds ebenso zu berücksichtigen wie eventuelle Wiederholungsgefahren, die Folgen für die Gesellschaft, Erfolge, Dienstzeit und Verdienste des Vorstandsmitgliedes, weiterhin auch dessen Lebensalter und die Folgen für den Betroffenen.[14]

Als Beispiele für derartige Kündigungsgründe kommen etwa in Betracht: Vermögensschädigungen der Gesellschaft, Verstöße gegen Zustimmungsvorbehalte, strafbare Handlungen, Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, Vornahme verbotener Insidergeschäfte, unberechtigte Amtsniederlegung seitens des Vorstandsmitglieds, Bilanzmanipulation und verursachte Zerwürfnisse mit anderen Organmitgliedern und/oder dem Aufsichtsrat oder den Gesellschaftern.[15]

 

Rz. 12

In diesem Zusammenhang ist bei der Bestimmung des Pflichtenkreises des Vorstandsmitglieds auch zu berücksichtigen, dass teilweise eine Verantwortung des Gesamtvorstands besteht, auch wenn für die Detailfragen eine Einzelressortzuständigkeit vereinbart wurde. Dies gilt insbesondere für den sehr haftungsträchtigen Bereich des § 91 Abs. 2 AktG (sog. Risk-Management).

 

Rz. 13

Die außerordentliche Kündigung muss innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen. Entscheidend ist die Kenntnis des Aufsichtsratsgremiums. Anders als beim Widerruf der Bestellung ist es möglich, die Kündigung des Anstellungsvertrags und damit zusammenhängende sonstige Beendigungstatbestände, insbesondere die einvernehmliche Beendigung ("Aufhebungsvertrag"), auf einen gesonderten Ausschuss (in der Praxis i.d.R. Präsidialausschuss/Personalausschuss) zu delegieren.[16] Der Personalausschuss darf allerdings durch seine Regelungen der Widerrufsentscheidung des Aufsichtsratsplenums nicht vorgreifen. Der Anstellungsvertrag darf damit nicht gekündigt werden, solange das Aufsichtsratsplenum nicht über die Beendigung der Organstellung (Abberufung) entschieden hat.[17]

[13] Zur Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist vgl. BAG v. 13.5.2015, NZA 2015, 1408; Schulte Westenberg, NZA-RR 2016, 337, 343 f.
[14] Vgl. Besgen/Osnabrügge, Teil 4 Rn 194.
[17] BGH v. 25.2.1982, NJW 1982, 1528, 1530; BGH v. 14.11.1983, NJW 1984, 733, 735.

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