Rz. 57

Dem Versicherungsnehmer schadet grundsätzlich bzgl. einer Leistungskürzung durch den Versicherer ein zumindest grob fahrlässiges Fehlverhalten. Im Fall des grob fahrlässigen Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers ist der Versicherer lediglich zu einer Leistungskürzung berechtigt, die sich an der Schwere des Verschuldens orientiert.
Bei der Bestimmung der Kürzungsquote ist zuerst von den objektiven Umständen auszugehen, die sich an der Gefährlichkeit und Dauer des Fehlverhaltens sowie an der Bewertung in anderen Rechtsgebieten (normative Vorprägung) orientieren. Dem schließt sich eine Prüfung der subjektiven Umstände an, zu denen insbesondere eine Vorsatznähe und ein Augenblicksversagen gehören.
Der Versicherer hat die zur Kürzung berechtigenden Umstände nachzuweisen, wobei je nach Auffassung in der Literatur und Rechtsprechung entweder ein Einstieg mit dem Mittelwert von 50 % erfolgt oder sogleich alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Den Versicherungsnehmer trifft allenfalls eine sekundäre Darlegungslast.
Der Versicherer ist im Ausnahmefall auch bei einem (lediglich) grob fahrlässigen Fehlverhalten zu einer vollständigen Leistungsfreiheit (Leistungskürzung auf Null) berechtigt.
Bei mehrfachen Pflichtverletzungen ist die Quotenbildung im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Einschluss einer Quotenmultiplikation als Korrekturrechnung vorzunehmen.
Nach dem neuen VVG wird der Versicherer bei einer Obliegenheitsverletzung nur dann in vollem Umfang leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen hat, wobei der Versicherer den Vorsatz zu beweisen hat.
Steht eine Obliegenheitsverletzung fest, wird ihre grob fahrlässige Begehung durch den Versicherungsnehmer gem. § 28 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 VVG vermutet. Dieser muss den Beweis führen, dass es an einer solchen Obliegenheitsverletzung fehlt.
Der Versicherer wird aber nur insoweit leistungsfrei, wie sich die Obliegenheitsverletzung auf die Feststellungen des Versicherungsfalls bzw. die Feststellungen zu einer Leistungsverpflichtung dem Grunde oder der Höhe nach ausgewirkt hat (§ 28 Abs. 3 S. 1 VVG). Eine solche Kausalität wird vermutet und der Versicherungsnehmer hat den sog. Kausalitätsgegenbeweis zu führen, der ihm jetzt auch bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung möglich ist. Eine Ausnahme gilt, wenn der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG).
Die Leistungsfreiheit wegen der Verletzung einer Aufklärungs- oder Auskunftsobliegenheit hat ferner gem. § 28 Abs. 4 VVG zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zuvor auf diese Folge gesondert in Textform hingewiesen hat, es sei denn, der Versicherungsnehmer handelt arglistig.
§ 215 VVG begründet eine zusätzliche örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Versicherungsnehmers, hilfsweise am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts. Von dieser Vorschrift werden alle Ansprüche im Zusammenhang mit einem bestehenden oder angebahnten Versicherungsvertrag einschließlich seiner Vermittlung erfasst.
Eine Klage gegen den Versicherungsnehmer ist gem. § 215 Abs. 1 S. 2 VVG ausschließlich am Wohnsitz des Versicherungsnehmers möglich.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge