Rz. 294

Bei der Abwehr von Pflichtteilsansprüchen ist zwischen den materiell-rechtlichen Einwendungen hinsichtlich des Bestehens des Pflichtteilsanspruchs und den vom Pflichtteilsschuldner zu erhebenden Einwendungen und Einreden zu unterscheiden. Bezüglich des Nichtbestehens eines Pflichtteilsanspruchs aufgrund einer wirksamen Pflichtteilsentziehung, einer Pflichtteilsunwürdigkeit oder eines Pflichtteilsverzichts siehe § 8.

I. Verjährungseinrede (§ 2332 BGB)

1. Allgemeines

 

Rz. 295

Nach dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts gilt seit 1.1.2010 auch für den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) grundsätzlich die Regelverjährung von drei[460] Jahren (§ 195 BGB).[461] Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB gilt hinsichtlich der Dauer die Verjährungsfrist des § 195 BGB (Regelverjährung). Durch § 2332 BGB wird allerdings die Regelung beibehalten, dass es für den Beginn der Verjährung wie bisher auf den Zeitpunkt des Erbfalls ankommt und zwar unabhängig von einer Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten.[462]

 

Rz. 296

 

Praxishinweis

Das Verjährungsrecht gilt grundsätzlich für alle bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche (Art. 229 § 21 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Daraus folgt, dass das derzeitige Recht auch für die Fälle gilt, bei denen die Verjährung früher eintritt als nach altem Recht. Umgekehrt gilt allerdings auch, dass zum Schutze des Schuldners das alte Recht gilt, wenn danach die Verjährung früher eintritt als nach neuem Recht. Damit ein Anspruch mit Inkrafttreten des neuen Rechts verjährt, beginnt die Verjährungsfrist nicht vor dem 1.1.2010.

[460] Allerdings sind auch die Verjährungshöchstfristen von 30 Jahren nach § 199 Abs. 3a BGB zu beachten.
[461] Vgl. Wiederhold, ZErb 2015, 299.
[462] Staudinger/v. Olshausen, § 2332 Rn 30.

2. Verjährungsbeginn

 

Rz. 297

Der ordentliche Pflichtteilsanspruch und der Pflichtteilsergänzungsanspruch (nach § 2325 BGB) verjähren innerhalb von drei Jahren. Nach § 199 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.[463] Die Verjährung beginnt mit der Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners. Darüber hinaus beginnt die Verjährung auch dann, wenn trotz Unkenntnis dieser Umstände und der Person des Schuldners dem Pflichtteilsberechtigten grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Eine wesentliche Änderung zur früheren Rechtslage stellt dies grundsätzlich nicht dar. Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände setzt auch hier voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und seiner Enterbung, im Falle eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs von der lebzeitigen Zuwendung, erhält oder grob fahrlässig nicht erhalten hat.[464]

 

Rz. 298

Macht der Pflichtteilsberechtigte dagegen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber dem beschenkten Dritten nach § 2329 BGB geltend, so beginnt die Frist der Verjährung grundsätzlich mit dem Eintritt des Erbfalls (§ 2332 BGB). Dies soll auch dann gelten, wenn die Vaterschaft des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings erst nach Ablauf der Dreijahresfrist festgestellt wird.[465] Auf eine Kenntnis der ihn beeinträchtigenden Verfügungen kommt es bei der Durchgriffshaftung gegen den Beschenkten nicht an.[466] Der unterschiedliche Verjährungsbeginn gilt nach Ansicht des BGH auch dann, wenn der Beschenkte zugleich Erbe oder Miterbe ist.[467]

[463] Fraglich ist allerdings, ob die Auffassung der Rechtsprechung (OLG Karlsruhe ZEV 2007, 329) hinsichtlich des Fristbeginns bei § 2316 BGB (hier kam es nicht auf die Kenntnis des Vorempfangs an) aufrechterhalten bleiben kann, da es sich bei einem Vorempfang nach den §§ 2050 ff. BGB wohl um einen den Anspruch begründenden Umstand handeln dürfte.
[464] Vgl. Bonefeld, ZErb 2008, 67.
[465] Vgl. Horn, ZErb 2016, 232; LG Wuppertal, ZErb 2016, 235.
[466] BGH FamRZ 1968, 150; BGH JR 1986, 110.
[467] BGH NJW 1986, 1610; a.A. Staudinger/v. Olshausen, § 2332 Rn 30 m.w.N.

3. Kenntniserlangung über die anspruchsbegründenden Umstände

a) Allgemeines

 

Rz. 299

Die anspruchsbegründenden Umstände liegen vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich positive Kenntnis über die ihn beeinträchtigende letztwillige oder lebzeitige Verfügung erlangt. Dies setzt im Einzelnen eine wesentliche Kenntnis des Inhalts der beeinträchtigenden Verfügung voraus. Der Berechtigte muss danach insbesondere erkannt haben, dass er durch die Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Voraussetzung ist aber nicht, dass eine detaillierte Prüfung des Inhalts der letztwilligen Verfügung erfolgt. Ferner ist es auch unerheblich, ob der Pflichtteilsberechtigte die rechtliche Natur der Verfügung fehlerfrei bestimmen kann.[468] Der Pflichtteilsberechtigte muss sich auch nicht unbedingt selbst ein Bild von der ihn beeinträchtigenden Verfügung gemacht haben.[469] Es reicht auch aus, wenn er von dem wesentlichen Inhalt der Verfügung mündlich erfährt, abgesehen von der damit verbundenen Beweisschwier...

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