Rz. 98

Maßgebend ist einerseits § 121 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG, andererseits § 46 Abs. 1, 2 RVG.

Reisekosten[109] sind zu erstatten

(1) immer dem beigeordneten Anwalt, der im Gerichtsbezirk oder nahe dabei seine Kanzlei hat, die evtl. Reisekosten innerhalb des Bezirks (in 1. Instanz Amtsgerichtsbezirk, in 2. Instanz Bezirk des OLG, § 121 Abs. 3 ZPO, wobei die weitestmögliche Entfernung innerhalb des Bezirks bei der Abrechnung anzusetzen ist).
(2) Ist das nicht der Fall, hat der Anwalt also seinen Sitz außerhalb des Bezirks des Prozessgerichts, darf er nur zu den Bedingungen eines "im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts" beigeordnet werden. In diesem Fall ist zu prüfen, ob ein Verkehrsanwalt beizuordnen wäre. Wenn das der Fall ist (§ 121 Abs. 4 ZPO), sind dem Anwalt die Kosten bis zur Höhe der Kosten des Verkehrsanwalts zu erstatten.
(3) Wenn auch das nicht der Fall ist, die Bestellung eines Verkehrsanwalts also nicht durch "besondere Umstände" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO erforderlich ist, ist letztlich zu prüfen, ob der Partei eine Informationsreise zu ihrem Anwalt zustünde. In diesem Fall sind dann die Reisekosten des Anwalts bis zur Höhe einer fiktiven Informationsreise zu erstatten.

Ein Verkehrsanwalt ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG beizuordnen. Hierbei ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und auf die subjektiven Fähigkeiten der Beteiligten abzustellen (Schreibgewandtheit, Zumutbarkeit einer Informationsreise zum Anwalt am Ort des Gerichts, Möglichkeit schriftlicher Information angesichts Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache).[110] Zu berücksichtigen ist aber auch die Rechtsprechung des BVerfG, dass nämlich für den Bedürftigen die Grundsätze wie für Reiche gelten, dass im Prinzip immer ein Anspruch auf einen ortsnahen Vertreter (von Ausnahmefällen abgesehen) besteht. Die Prozesschancen bedürftiger und nicht bedürftiger Verfahrensbeteiligter sollen sich nicht wesentlich unterscheiden. Deshalb ist eine zumindest großzügige Auslegung des § 121 Abs. 4 ZPO geboten.[111] Dieser Gesichtspunkt wird durch die Beobachtung verstärkt, dass die bemittelten Verfahrensbeteiligten in aller Regel die Reise des Anwalts zu jedem auswärtigen Gericht wünschen. Die Beauftragung von Unterbevollmächtigten oder Prozessanwälten zum Verkehrsanwalt am Ort ist gerade in Familiensachen keineswegs die Regel.

 

Rz. 99

Ist der Anwalt unbeschränkt beigeordnet worden, kann er auch die Kosten unbeschränkt erstattet verlangen. Er sollte in jedem Fall Beschwerde einlegen,[112] wenn er zu den Kosten eines ortsansässigen Anwalts, wie früher üblich, beigeordnet wird. Andernfalls erhält er seine Reisekosten weder in Höhe der Kosten des fiktiven Verkehrsanwalts noch in Höhe der Kosten zumindest einer fiktiven Informationsreise erstattet.[113]

[109] Ausführlich AnwK-RVG/Fölsch, § 46 Rn 8 ff. bis 28 und Zimmermann, S. 168 f. Rn 274, S. 216 f. Rn 360 ff.
[110] BGH NJW 2004, 2749 = JurBüro 2004, 604 = FamRZ 2004, 1362 = FPR 2004, 628 = BGHZ 159, 370.
[111] BVerfG NJW 2004, 1789; das OLG Hamm FamRZ 2005, 1264 meint, dass immer ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt besteht; andere Gerichte führen aus, dass jeweils im konkreten Fall ein Verkehrsanwalt erforderlich ist, z.B. OLG Düsseldorf AGS 2005, 513; OLG Köln FamRZ 2005, 2008; OLG Saarbrücken JurBüro 2006, 96; so auch BGH NJW 2004, 2749; kritisch auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 28 f.
[112] Befristete Beschwerde, § 127 Abs. 3 S. 2, 3 ZPO i.V.m. §§ 113 Abs. 1, 76 Abs. 1 FamFG (Monatsfrist); OLG Köln FamRZ 2005, 2008.
[113] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 46 RVG Rn 13; vgl. zur Sicherstellung von Auslagenersatz auch AnwK-RVG/Fölsch, § 46 RVG Rn 59 ff.

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