Rz. 1

Eine – in letzter Zeit vielfach erweiterte[1] – gesetzliche Prospekthaftung[2] ergibt sich – nach dem bis 31.5.2012 maßgeblichen Recht – aus §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes (BörsG)[3] und §§ 13, 13a des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes (Verkaufsprospektgesetz)[4] sowie aus § 127 des Investmentgesetzes (InvG).[5] Letztgenannte Bestimmung galt bis 21.7.2013. Nunmehr richtet sich die gesetzliche Prospekthaftung nach den Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) vom 4.7.2013.[6]

Die Haftungsvorschriften im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften – KAGG[7] (§ 20) und im Auslandsinvestment-Gesetz – AuslInvestmG[8] (§ 12) sind mit der Aufhebung dieser Gesetze zum 1.1.2004[9] entfallen.

 

Rz. 2

Neben diesen spezialgesetzlichen Haftungsregelungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die bürgerlich-rechtliche (allgemein zivilrechtliche) Prospekthaftung – auch von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Gesellschaften dieser Berufskreise – aus der Vertrauenshaftung für Verschulden vor und bei Vertragsschluss (vgl. § 13 Rdn 1 ff.) und in Anlehnung an gesetzliche Prospekthaftungsregeln entwickelt.[10] Diese Haftung betrifft Anlageformen ohne spezialgesetzliche Regelung; sie soll den Kapitalanleger schützen, der in diesem Anlagebereich seine Anlageentscheidung auf einen Werbeprospekt stützt.

 

Rz. 3

In den Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung wurden einbezogen

die Beteiligung an Publikums-KG,[11]
die Beteiligung an Bauherren-[12] und Bauträgermodellen,[13]
die Beteiligung an Anlagemodellen mit einer Mischung aus reiner Kapitalanlage und Elementen des Bauherrenmodells,[14]
die Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds,[15]
die Beteiligung an sonstigen Erwerbermodellen,[16]
der Beitritt als stiller Gesellschafter zu einer vom Initiator des Anlageprojekts gegründeten AG,[17]
der Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte.[18]

Im Schrifttum wird eine Ausdehnung dieser Prospekthaftung auf das Franchiserecht befürwortet, um Franchisenehmer und Investoren vor falschen Prospektangaben des Franchisegebers zu schützen.[19] Auf fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen dürften die Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung nicht angewendet werden können.[20]

 

Rz. 4

Ferner besteht eine deliktsrechtliche Prospekthaftung wegen Verwendung fehlerhafter Prospekte (insb. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a, 266 StGB, §§ 3 ff. UWG; § 826 BGB; vgl. § 15 Rdn 1 ff., 88 ff., 112 ff.).[21]

[1] Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes v. 28.10.2004 (BGBl I, S. 2630); Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2007 (BGBl I, S. 1330); Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz v. 5.4.2011 (BGBl I, S. 528); allgemeiner Überblick bei Seibert, S. 307 ff.
[2] Dazu Seibert, S. 303 ff.; Hopt, WM 2009, 1873; Reinelt, NJW 2009, 1; Nobbe, WM 2013, 193 ff.; zur internationalen Prospekthaftung: Kuntz, WM 2007, 432; Oulds, WM 2008, 1573; Weber, WM 2008, 1581; zu Haftungsrisiken bei Vertretung geschädigter Anleger: Simon-Widmann, AnwBl. 2008, 709.
[3] I.d.F. v. 16.7.2007 (BGBl I, S. 1330, 1351) mit Änderungen; zur Prospekthaftung aus dem Börsengesetz: Seibert, S. 311 ff.; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 86 ff., zu den jeweils geltenden Bestimmungen; Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932, 933 f.
[4] I.d.F. der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl I, S. 2701) mit Änderungen; zur Haftung aus §§ 13, 13a Verkaufsprospektgesetz: Seibert, S. 315 ff.; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 95 ff., zu den jeweils geltenden Vorschriften; Fleischer, BKR 2004, 339, 343 ff.; Bohlken/Lange, DB 2005, 1259 ff.
[5] I.d.F. des Art. 1 des Investmentmodernisierungsgesetzes v. 15.12.2003 (BGBl I, S. 2676) mit Änderungen; dazu Assmann, in: Assmann/Schütze, § 6 Rn 288 ff.
[6] BGBl I, S. 1981, vgl. hierzu Seibt, S. 354 ff.
[7] I.d.F. der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl I, S. 2726) mit Änderungen.
[8] I.d.F. der Bekanntmachung v. 9.9.1998 (BGBl I, S. 2820) mit Änderungen.
[9] Art. 17 des Investmentmodernisierungsgesetzes v. 15.12.2003 (BGBl I, S. 2676, 2734).
[10] Siol, DRiZ 2003, 204; Seibel/v. Westphalen, BB 1998, 169 (Immobilien-Leasing); Ellenberger, Prospekthaftung, S. 95 ff.; Drescher, WM 2019, 137; Einzelfälle: BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluss – Prospekthaftung.
[11] BGHZ 71, 284 = NJW 1978, 1625 = WM 1978, 705; BGHZ 74, 103 = NJW 1979, 1449 = WM 1979, 530; BGHZ 77, 172 = NJW 1980, 1840 = WM 1980, 794; BGHZ 79, 337 = NJW 1981, 1449 = WM 1981, 483; BGHZ 83, 222 = NJW 1982, 1514 = WM 1982, 554; BGH, NJW 1984, 865; BGH, NJW 1984, 2523; BGH, NJW 1992, 3296.
[12] BGHZ 111, 314 = NJW 1990, 2461= WM 1990, 1276; BGHZ 126, 166 = NJW 1994, 2226.
[13] BGH, WM 2001, 25, 27 = NJW 2001, 436; BGH, WM 2004, 289 = NJW 2004, 288.
[14] BGHZ 115, 213, 218 = NJW 1992, 228 = WM 1991, 2092; BGH, WM 2001, 25, 26 = NJW 2001, 436.
[15] BGH, NJW 2001, 1203, 1204 = WM 2001, 464; BGH, NJW 2002, 1711; vgl. BGHZ 150, 1 = WM 2002, 958; Ulmer, ZIP 2005, 1341; Strohn, WM 2005, 1441.
[16] BGH, NJW-RR 1992, 879, 883.

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