Rz. 11

Der ambitionierte Berater wird sich bei der rechtsfähigen Stiftung zudem davon überzeugen, dass der Stifter die notwendige Stiftungsreife mitbringt. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass es Aufgabe des Beraters ist, im Zusammenhang mit der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung bei dem Stifter auf diese Stiftungsreife hinzuwirken und eventuellen Missverständnissen zur Rechtsform der Stiftung klarstellend zu begegnen. Es klingt banal, kann aber nach unseren Erfahrungen gar nicht oft genug betont werden: Ein potenzieller Stifter muss sich über die konkreten Ziele im Klaren sein, die er mit der Stiftungserrichtung erreichen will.

 

Rz. 12

Die Errichtung einer Stiftung ist auch psychologisch für den Stifter nicht ganz einfach. Schließlich entäußert er sich eines Gutteils seines Vermögens, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Die Stiftung "besteht" aus diesem Vermögen; sie hat keine Mitglieder, sondern nur Organe (Vorstand und ggf. Stiftungsrat etc.). Es ist zuvorderst im eigenen Interesse des Stifters, dass die Stiftung ihr satzungsmäßiges Ziel erreicht. Dazu muss der Stifter aber gewisse persönliche Qualifikationen erfüllen, die – in Anlehnung an den Begriff der Börsenreife bei der Aktiengesellschaft – als Stiftungsreife bezeichnet werden können.

 

Rz. 13

Stiftungsreife bedeutet vor allem, dass der Stifter akzeptieren muss, mit einer Stiftung eine juristische Person zu schaffen, die von seinem künftigen Willen unabhängig ist, soweit er sich nicht konkrete Rechte in der Stiftungssatzung vorbehalten hat. Das der Stiftung übertragene Vermögen gehört, anders als etwa bei einer Ein-Personen-GmbH, auch wirtschaftlich nicht mehr ihm. Die Klage eines bekannten Unternehmers: "Ich kann ja mit “meiner‘ Stiftung gar nicht mehr machen, was ich will", ist im Ergebnis richtig. Es ist nämlich nicht "seine" Stiftung. Die Stiftung gehört sich selbst. Sie dient der Erfüllung seines Stifterwillens, den er bei der Errichtung für die Zukunft und auch für sich selbst unabänderlich vor allem in der Satzung festgelegt hat. Eine Stiftung hat eben keine Gesellschafter, sondern "nur" einen Zweck, ein dem Zweck dienendes Vermögen und Organe zur Geschäftsführung sowie Vertretung. Der Stifter muss auch die Regeln des Stiftungsrechts und vor allem die des von manchen als chaotisch bezeichneten Steuerrechts für Stiftungen akzeptieren.

 

Rz. 14

Vor allem folgende zwei Kriterien lassen sich für die entsprechende "Stiftungsreife" bei einem Stifter danach zusammenfassen:

Der Stifter muss gewillt sein zu akzeptieren, dass er mit der Stiftung eine eigenständige, von seinem Willen zukünftig unabhängige juristische Person ins Leben ruft. Mit der Folge, dass er nach der Stiftungserrichtung nicht mehr frei über das gestiftete Vermögen verfügen kann, dass er in seinem Handeln ebenso an die Stiftungssatzung gebunden ist wie die Stiftungsorganmitglieder und dass er nur noch die Rechte hat, die er sich wirksam in der Stiftungssatzung "vorbehalten" hat – etwa als Mitglied eines Stiftungsorgans. Das kann für Personen, die es gewohnt sind, in ihren Angelegenheiten, etwa in ihrem Unternehmen, das sprichwörtliche Sagen zu haben, äußerst ungewohnt sein.
Bei einer steuerbefreiten gemeinnützigen oder mildtätigen Stiftung sollte der Stifter zudem (an)erkennen, dass ihm mit der Stiftung ein wirkungsvolles, staatlich geschütztes Instrument zur Verwirklichung seiner individuellen Ziele zur Verfügung gestellt wird. Das ist weit mehr als ein "Steuersparmodell".
 

Rz. 15

Beratungsresistenz ist ein nicht ganz selten gehörtes Schlagwort. Tatsächlich sind nach unseren Erfahrungen aber die meisten Stifter nach entsprechender Aufklärung und Beratung bereit, das Erfordernis der Stiftungsreife mit seinen vielfältigen Anforderungen zu akzeptieren. Es ist letztlich die Aufgabe der Stiftungsberater, den Stiftern das hierzu erforderliche Wissen zu vermitteln.

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