Rz. 303

Der für die gesamte Schadensversicherung geltende gesetzliche Forderungsübergang gem. § 86 VVG gilt auch für die Rechtsschutzversicherung und wird in § 17 Abs. 8 ARB 94/2000/2008 (§ 20 Abs. 3 ARB 75) wiederholt. Das bedeutet, dass Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen andere auf Erstattung von Kosten, die der Rechtsschutzversicherer getragen hat, mit der Entstehung auf diesen übergehen.

aa) Übergangsfähige Ansprüche

 

Rz. 304

Bei den regelmäßig übergehenden Ansprüchen handelt es sich z.B. um

Kostenerstattungsansprüche gegen den Prozessgegner oder die Staatskasse (auch materiell-rechtlich);
Rückerstattungsansprüche hinsichtlich nicht verbrauchter Gerichtskosten oder Gerichtsvollzieherkosten;
Rückerstattungsansprüche gegen den Anwalt aufgrund geleisteter Kostenvorschüsse;
Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt wegen fehlerhafter Prozessführung o.Ä. (OLG Köln r+s 1993, 382).
 

Rz. 305

Aufgrund des Forderungsübergangs geht auch die Pflicht des Rechtsanwalts zur Rechenschaftslegung bzw. Abrechnung gem. §§ 675, 666 BGB mit über, sodass – abgesehen von ohnehin bestehenden berufsrechtlichen Bedenken bei der Nichtbeantwortung von Sachstandsanfragen oder Anfragen nach dem Verbleib der Vorschüsse – bei geleisteten Vorschüssen gem. § 86 Abs. 1 VVG sogar ein Rechtsanspruch des Rechtsschutzversicherers auf Rechenschaftslegung besteht.

bb) Probleme der Aktivlegitimation

 

Rz. 306

Der gesetzliche Forderungsübergang führt dazu, dass keine Aktivlegitimation des Versicherungsnehmers mehr hinsichtlich der auf den Rechtsschutzversicherer übergegangenen Ansprüche besteht. Dies birgt stets das Risiko, dass der erstattungspflichtige Gegner bei der Geltendmachung vorgerichtlicher Anwaltskosten im Hauptsacheverfahren oder später im Kostenfestsetzungsverfahren die fehlende Aktivlegitimation rügt.

 

Rz. 307

 

Hinweis

Eine überzeugende Lösung dieses Problems besteht nicht. Zum Teil wird eine Berechtigung des Versicherungsnehmers gesehen, die Ansprüche im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend zu machen (z.B. OLG Köln JurBüro 1994, 688). Notfalls muss sich der Versicherungsnehmer mit einer Rückabtretung der Ansprüche durch den Versicherer behelfen. Da den Rechtsschutzversicherern das Problem bekannt ist und sie kein Interesse an einer Klagabweisung hinsichtlich der Kosten mangels Aktivlegitimation haben, sind sie hierzu in der Regel bereit.

cc) Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 308

Da § 86 VVG für die gesamte Schadensversicherung – und damit auch für die Rechtsschutzversicherung – gilt, ist auch das Quotenvorrecht gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG anwendbar. Dies führt dazu, dass im Falle der Erstattungen von Dritten zunächst der Versicherungsnehmer hinsichtlich der ihm persönlich entstandenen Kosten zu befriedigen ist, bevor der Rechtsschutzversicherer den Forderungsübergang gem. § 86 Abs. 1 VVG geltend machen kann. Voraussetzung ist lediglich, dass es sich bei den dem Versicherungsnehmer entstandenen Kosten und den Leistungen des Rechtsschutzversicherers um kongruente Kosten handelt.

 

Rz. 309

Kongruent sind nach der Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 1982, 283) grundsätzlich sämtliche Schäden, die ihrer Art nach dem vertragstypischen Risiko entsprechen, also nicht nur die im konkreten Fall tatsächlich versicherten Schäden, wie bereits aus dem Bereich der Kaskoversicherung bekannt ist (vgl. oben § 6 Rdn 13 ff.).

 

Rz. 310

Da die Rechtsschutzversicherung grundsätzlich die Kosten der Rechtsverfolgung durch den Versicherungsnehmer abdeckt (vgl. § 1 ARB), ist davon auszugehen, dass sämtliche dem Versicherungsnehmer persönlich entstehenden Rechtsverfolgungskosten kongruent zu den Leistungen des Rechtsschutzversicherers sind (vgl. im Einzelnen Schneider, Rechtsschutzversicherung für Anfänger, Rn 476 ff.).

Beispiele:

die Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers (Harbauer-Schneider, § 17 ARB 2010 Rn 173);
Reisekosten des Rechtsanwalts, die gebührenrechtlich entstehen, jedoch vom Rechtsschutzversicherer bedingungsgemäß nicht zu tragen sind (Harbauer-Schneider, § 17 ARB 2010 Rn 173);
Kosten eines Unterbevollmächtigten bzw. Terminsvertreters, die gebührenrechtlich entstehen, jedoch vom Rechtsschutzversicherer jedenfalls nicht vollständig zu tragen sind (vgl. unten Rdn 354);
Parteiaufwendungen des Versicherungsnehmers, z.B. Fahrtkosten zum Gerichtstermin.
 

Rz. 311

 

Beachte

Das bedeutet, dass z.B. bei einer Unfallschadenregulierung der Mandant aus der Anwaltskostenerstattung des gegnerischen Haftpflichtversicherers zunächst seine Selbstbeteiligung erstattet erhält. Um einen Forderungsübergang gem. § 86 VVG und damit überhaupt erst einen Anwendungsfall des Quotenvorrechts gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG zu erreichen, ist zu empfehlen, weitest möglich vom Rechtsschutzversicherer gem. § 9 RVG entsprechende Vorschüsse anzufordern. Dann erhält am Ende bei der Unfallschadenregulierung der Rechtsschutzversicherer in der Regel Kosten zurück, und der Anwalt befindet sich in der prozessual günstigen Passivsituation, falls der Versicherer meint, er habe weitere Erstattungsansprüche.

 

Rz. 312

Aufgrund der Differenztheorie des Quotenvorrechts können durcha...

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