Rz. 51

Gemäß § 74a Abs. 5 ZVG hat das Gericht von Amts wegen den Verkehrswert des Versteigerungsobjektes (und zwar für jedes Grundstück bzw. grundstücksgleiche Recht einzeln) festzusetzen. Es kann zu diesem Zwecke einen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen (im Gegensatz zur Formulierung in § 74a Abs. 5 S. 1 ZVG wird das der Regelfall sein).

Nach der Legaldefinition in § 194 BauGB wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Objekts ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Gemeinhin kann man vom Verkaufswert oder auch Marktwert sprechen. Der ideelle Wert hat bei der Wertfindung außen vor zu bleiben ("ohne Rücksicht auf persönliche Verhältnisse"), da ausschließlich objektive Kriterien anzulegen sind.

 

Rz. 52

Gesetzliche Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswertes nach § 194 BauGB ist die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 19.5.2010, die zum 1.7.2010 die Wertermittlungsverordnung ablöste. Für die Wertermittlung können drei Verfahren herangezogen werden, das Vergleichswertverfahren (§ 15 ImmoWertV), das Ertragswertverfahren (§§ 1720 ImmoWertV) und das Sachwertverfahren (§§ 2123 ImmoWertV).

Die drei Wertermittlungsverfahren werden durch folgende Faktoren beeinflusst:

Vergleichswertverfahren: Für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist eine genaue Kenntnis des zu bewertenden Objekts und der in Frage kommenden Vergleichsobjekte erforderlich. Weiter bedarf es einer Einschätzung des Marktes für vorzunehmende Zu- oder Abschläge.
Ertragswertverfahren: Für das Ertragswertverfahren werden die ortsüblichen erzielbaren Mieten sowie die Liegenschaftszinssätze als Ertragswertfaktoren herangezogen.
Sachwertverfahren: Der Verkehrswert wird im Sachwertverfahren anhand des Bodenwertes in der jeweiligen Lage und den Herstellungskosten ermittelt.

Zur weiteren Erläuterung der angesprochenen Ermittlungsverfahren wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen. Grundkenntnisse werden dringend empfohlen, um z.B. die Verfahrensauswahl auch selbst beurteilen oder um Wertansätze nachvollziehen zu können.

Falls den Parteien bereits Gutachten vorliegen, sollten sie diese bei Gericht einreichen. Dadurch können nicht unerhebliche Kosten und Zeit gespart werden. Das Gericht wird aber selbst entscheiden, ob es eingereichte Parteigutachten der Wertermittlung zugrunde legen oder ob es selbst einen Sachverständigen beauftragen wird. Parteigutachten sind vielfach mit Vorsicht zu genießen, da aus ihnen oft nicht ersichtlich ist, mit welchen Vorgaben der Gutachter arbeiten musste (z.B. Gutachten aus einem vorausgegangenen Zugewinnausgleichsverfahren). Bei der Frage, ob ein Gutachten verwendungsfähig ist, spielt auch sein Alter eine entscheidende Rolle (vgl. oben Rdn 52). Ideelle Werte haben bei der Wertfindung außer Acht zu bleiben (vgl. oben Rdn 52).

 

Rz. 53

Bei der Auswahl des Gutachters durch das Gericht sind auch evtl. Ablehnungsgründe zu berücksichtigen. Sind solche gegeben, dem Gericht aber nicht bekannt, wird dringend empfohlen, dies unverzüglich mitzuteilen. Das spart Zeit und auch Geld (Minderung des zukünftigen zur Verteilung an die Gemeinschafter zur Verfügung stehenden Erlösüberschusses durch unnötig hohe Auslagen).

 

Rz. 54

Der festgesetzte Verkehrswert ist maßgebend für die Feststellung der sog. 7/10-Grenze gem. § 74a Abs. 1 ZVG, der 5/10-Grenze gem. § 85a Abs. 1 ZVG und für die Kostenberechnung (§§ 3, 26 GKG i.V.m. Nr. 2211, 2213, 2215 KV). Des Weiteren sind die festgesetzten Verkehrswerte auch zur Aufteilung eines Gesamtrechts gem. § 64 ZVG und gem. § 112 ZVG für die Aufteilung des Versteigerungserlöses bei einem Zuschlag auf ein Gesamtausgebot heranzuziehen.

Hinsichtlich der Anwaltsvergütung wird auf § 26 RVG verwiesen. Sollte ein Verfahren vor Festsetzung des Verkehrswertes enden und auch sonst kein anderer Wert gem. § 26 RVG einschlägig sein, kann gem. § 33 Abs. 1 RVG die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit beantragt werden.

 

Rz. 55

Es wird dringend empfohlen, an dem vom Gutachter anberaumten Ortstermin teilzunehmen, um diesem die nötigen Informationen geben zu können und um zu verhindern, dass die weiteren Gemeinschafter dem Sachverständigen je nach ihrer Interessenlage falsche Informationen erteilen (die sich u.U. werterhöhend oder wertmindernd auswirken können). Evtl. Streitigkeiten betreffend die Auseinandersetzung der Gemeinschaft sind allerdings tunlichst zu unterlassen, da sie dem Anlass des Termins (Bewertung) nicht förderlich sind, die Kosten des Sachverständigen in die Höhe treiben (Zeitfaktor) und im Übrigen die Möglichkeit einer späteren einvernehmlichen Auseinandersetzung verschlechtern. Der Zutritt zum Bewertungsobjekt ist nur möglich, wenn derjenige, der es bewohnt, damit einverstanden ist. Das Gericht kan...

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