Rz. 137

Der Beklagte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich am Prozess zu beteiligen. Beteiligt sich der Beklagte am Rechtsstreit nicht, muss es jedoch gleichwohl möglich sein, gegen ihn einen Titel zu erwirken.

 

Rz. 138

 

Tipp

Ist zu erwarten, dass der Schuldner sich an dem Verfahren zur Titulierung der Forderung nicht beteiligt, ist das Mahnverfahren nach den §§ 688 ff. ZPO[123] regelmäßig das schnellere und kostengünstigere Verfahren. Allerdings kommt dies dann nicht in Betracht, wenn sich der geltend gemachte Anspruch nicht über die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in EUR verhält.

 

Rz. 139

Auch der Kläger kann allerdings das Interesse an dem Verfahren verlieren, weil er etwa die Aussichtslosigkeit seines Klagebegehrens erkennt. Auch kann trotz der Säumnis des Beklagten die Klage unzulässig oder unbegründet sein.

 

Rz. 140

Letztlich kann es auch aus kostenrechtlichen Gründen sinnvoll sein, ein Versäumnisurteil statt eines Anerkenntnisurteils ergehen zu lassen. Das Versäumnisurteil stellt sich nämlich in der Regel unter Anwendung der Gebührenabrechnung nach dem RVG als kostengünstiger dar.[124]

 

Rz. 141

 

Hinweis

Hierauf muss der Rechtsanwalt achten und dem Mandanten bei Aussichtslosigkeit der Rechtsverteidigung zur Säumnis statt eines Anerkenntnisses raten, wenn er einen Haftungsfall vermeiden will.

 

Rz. 142

Es sind deshalb mehrere Konstellationen der Säumnis zu unterscheiden:

der Beklagte zeigt schon im angeordneten schriftlichen Verfahren nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO seine Verteidigungsbereitschaft nicht an,
der Beklagte zeigt zwar die Verteidigungsbereitschaft an, erscheint jedoch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht,
der Beklagte erscheint zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, die Klage ist jedoch schon nach dem Vortrag des Klägers unzulässig oder unbegründet;
der Beklagte erscheint zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung, tritt aber letztendlich nicht auf, sondern tritt die "Flucht in die Säumnis" an.
[123] Hierzu § 4 Rdn 1 ff.
[124] Vgl. hierzu König, NJW 2005, 1243 mit Berechnungsbeispielen.

1. Das Versäumnisurteil gegen den Beklagten im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 ZPO

 

Rz. 143

Ordnet das Gericht nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO das schriftliche Verfahren an, so ist der Beklagte mit der Zustellung der Klage aufzufordern, binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift schriftlich anzuzeigen, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte.

 

Rz. 144

Kommt der Beklagte dieser Verpflichtung zur Anzeige seiner Verteidigungsbereitschaft nicht nach, kann bereits im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO auf Antrag des Klägers Versäumnisurteil ergehen.

 

Rz. 145

 

Hinweis

Nach § 276 Abs. 2 ZPO muss der Beklagte über die Folgen der mangelnden Verteidigungsbereitschaft belehrt werden. Fehlt es an dieser Belehrung, darf nach § 335 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kein Versäumnisurteil ergehen.

 

Rz. 146

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils dem Beklagten bereits vor Erlass des Versäumnisurteils zugestellt werden muss[125] oder ob es ausreichend ist, dass der Antrag mit dem Versäumnisurteil oder später zugestellt wird.[126]

 

Rz. 147

 

Tipp

Um der Streitfrage aus dem Wege zu gehen und nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Abgabe der Verteidigungsanzeige eine Entscheidung durch Versäumnisurteil zu ermöglichen, sollte der Antrag deshalb bereits in der Klageschrift gestellt werden. Wurde dies versehentlich unterlassen, ist unverzüglich ein gesonderter Antrag[127] zu stellen. In diesem Fall sollte das Gericht auf die Notwendigkeit der unverzüglichen Zustellung hingewiesen werden.

 

Rz. 148

Ein obsiegendes Versäumnisurteil kann der Kläger allerdings nur dann erhalten, wenn seine Klage zunächst zulässig ist, was von Amts wegen zu prüfen ist. Ist die Klage zulässig, so setzt der Erlass eines Versäumnisurteils weiter voraus, dass die Klage auch schlüssig ist.[128] Der klägerische Vortrag gilt dabei nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO vom Beklagten als zugestanden.

 

Rz. 149

 

Hinweis

Zeigen sich hier Mängel, so ist der Kläger auf diese gem. § 139 ZPO hinzuweisen, so dass er den Mangel – soweit möglich – beheben oder seinen tatsächlichen Vortrag ergänzen kann. Anderenfalls ist Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen und ein unechtes Versäumnisurteil zu erlassen.[129] Ob ein unechtes Versäumnisurteil auch im schriftlichen Vorverfahren in entsprechender Anwendung von § 331 Abs. 3 ZPO ergehen kann, war umstritten.[130] Nunmehr hat der Gesetzgeber mit dem Justizmodernisierungsgesetz in § 331 Abs. 3 ZPO klargestellt, dass ein unechtes Versäumnisurteil gegen den Kläger nur möglich ist, soweit Nebenforderungen betroffen sind und er hierauf hingewiesen wurde. Damit ist im Umkehrschluss zugleich ausgedrückt, dass ein unechtes Versäumnisurteil in der Hauptsache im schriftlichen Vorverfahren nicht ergehen kann.

 

Rz. 150

Auch wenn die vorbezeichneten Voraussetzungen vorliegen, unterbleibt nach § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO der Erlass eines Versäumnisurteils, wenn die Erklärung des Beklagten über seine Verteidigungsbereitschaft noch...

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