Rz. 256

Wird der Einspruch nicht als unzulässig verworfen, so kommt es gem. § 341 ZPO zum Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache. Der Prozess wird nach der Zulässigkeit des Einspruchs dann gem. § 342 ZPO in den Stand zurückversetzt, in dem er sich vor Eintritt der Säumnis und des darauf ergehenden Versäumnisurteils befand.

 

Rz. 257

 

Hinweis

Da zwischen dem Einspruch der säumigen Partei und dem Termin zur mündlichen Verhandlung ein nicht unerheblicher Zeitraum liegt, hilft die dargestellte "Flucht in die Säumnis" über die Problematik der Präklusion hinweg. Trägt die säumige Partei mit der Einspruchsschrift alle Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor, so ist es dem Gericht regelmäßig möglich, bis zu dem nach § 341a ZPO zu bestimmenden Termin zur mündlichen Verhandlung vorbereitende Maßnahmen, insbesondere solche nach §§ 273 oder 358a ZPO zu treffen. Der Bevollmächtigte kann dies unterstützen, indem er absehbare Auslagenvorschüsse in Höhe der von dem Gericht regelmäßig angeforderten Beträge bereits anweist oder durch den Mandanten anweisen lässt.

 

Rz. 258

Ergibt sich nach der Fortsetzung des Verfahrens, dass das Versäumnisurteil mit der zu treffenden Entscheidung übereinstimmt, so wird nach § 343 ZPO durch kontradiktorisches Urteil ausgesprochen, dass das Versäumnisurteil aufrechterhalten wird.

 

Rz. 259

Soweit sich eine entsprechende Übereinstimmung nicht ergibt, ist mit der abweichenden Sachentscheidung das Versäumnisurteil gem. § 343 S. 2 ZPO aufzuheben.

 

Rz. 260

 

Hinweis

In jedem Fall muss beachtet werden, dass die Kosten der Säumnis gem. § 344 ZPO ungeachtet der Entscheidung in der Hauptsache, d.h. auch wenn die säumige Partei letztendlich obsiegt, ihr zur Last fallen. Hiergegen wird häufig verstoßen, weshalb der Gegner auf jeden Fall hierauf hinweisen sollte, wenn er nicht sicher sein kann, dass das Versäumnisurteil "bestätigt" wird. Die der säumigen Partei aufzuerlegenden Kosten sind allerdings nicht die Kosten des Termins, in dem sie säumig war – diese Kosten wären nämlich auch bei fehlender Säumnis entstanden, sondern die Kosten des weiteren Termins.[185] Dies kann sich insbesondere dann auswirken, wenn zu einem Termin Zeugen geladen und zu entschädigen waren.

 

Rz. 261

Hat die säumige Partei Einspruch eingelegt, erscheint aber dann in dem nach § 341a ZPO bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht oder erscheint sie dort, verhandelt aber im Sinne von § 333 ZPO (erneut) nicht, so dass sie als säumig gilt, ergeht ein "zweites Versäumnisurteil".

 

Rz. 262

Gegen dieses zweite Versäumnisurteil ist nun gem. § 345 ZPO kein Einspruch mehr gegeben. Vielmehr muss sich die säumige Partei hiergegen nach § 514 Abs. 2 ZPO mit der Berufung zur Wehr setzen.

 

Rz. 263

Im Hinblick darauf, dass die zweimal säumig gebliebene Partei den Rechtsstreit bereits erheblich verzögert, kann sie mit der Berufung allerdings nur insoweit gehört werden, als sie geltend macht, dass eine schuldhafte Säumnis nicht vorgelegen hat. Die Frage des Verschuldens im Falle der Versäumung eines Termins ist grundsätzlich nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Eine schuldhafte Säumnis im Sinne von § 514 Abs. 2 S. 1 ZPO liegt aber auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen.[186]

 

Rz. 264

Bis in die einzelnen Senate des BGH hinein ist die Frage umstritten, ob das Gericht das zweite Versäumnisurteil erlassen darf, wenn die Klage von Anfang an unschlüssig war, jedoch gleichwohl ein erstes Versäumnisurteil ergangen ist.

 

Rz. 265

Nach einer Auffassung verliert das erste Versäumnisurteil mit dem zulässigen Einspruch seine Wirkung, so dass eine neue und vollständige Schlüssigkeitsprüfung stattzufinden hat.[187]

 

Rz. 266

Nach anderer Ansicht bindet das erste Versäumnisurteil und die darin zum Ausdruck gekommene Ansicht des Gerichts, dass die Klage schlüssig ist, das Prozessgericht, so dass für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils lediglich die Säumnis zu prüfen und zu erörtern sei.[188]

 

Rz. 267

 

Hinweis

Die vorstehende Frage stellt sich insbesondere dann, wenn der Beklagte als säumige Partei mit dem Einspruch Einwendungen gegen die Schlüssigkeit vorträgt, denen der Kläger nicht entgegentreten kann oder will. Die Bevollmächtigten können jeweils mit der für sie günstigsten Auffassung argumentieren.

 

Rz. 268

Ein zweites Versäumnisurteil ist nach § 700 Abs. 6 ZPO auch dann zu erlassen, wenn ein Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid im Mahnverfahren eingelegt wurde.

 

Rz. 269

Bei einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ist unbestritten, dass dieser durch zweites Versäumnisurteil nur verworfen werden darf, wenn die Klage schlüssig ist. Hier fehlt es nämlich an einer vorherigen Schlüssigkeitsprüfung beim Erlass des Vollstreckungsbescheids, so dass hier auch keine Bindungswirkung erzielt...

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