Frank-Michael Goebel, Regine Förger
Rz. 613
Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht ist grundsätzlich glaubhaft zu machen. Die Möglichkeiten und die Form der Glaubhaftmachung richten sich dabei nach § 294 ZPO.
Rz. 614
Mit der Entscheidung über die Gewährung der Akteneinsicht wird das Gericht nach bestrittener Ansicht nicht rechtsprechend, sondern als Justizverwaltungsbehörde tätig. Der Antrag ist daher an den Gerichtsvorstand zu richten.
Rz. 615
Soweit § 299 Abs. 2 ZPO dabei den Vorstand des Gerichts anspricht, ist damit der Direktor bzw. Präsident des Amtsgerichts oder Landgerichts gemeint. Üblich und zulässig ist allerdings die Übertragung dieser Aufgabe auf den zuständigen Richter bzw. Vorsitzenden der Kammer. In diesem Falle kommt dann der Streitfrage, ob das Gericht rechtsprechend oder als Justizverwaltungsbehörde handelt, zunächst keine entscheidende Bedeutung zu.
Rz. 616
Gegen die Entscheidung über die Akteneinsicht ist die Beschwerde nach § 23 ff. EGGVG möglich, und zwar sowohl für den Dritten, wenn die Einsicht verwehrt wird, als auch für die Beteiligten des Prozesses, in dessen Akten Einsicht genommen werden soll, wenn diese durch die Justizbehörde gewährt werden soll.
Rz. 617
Hinweis
Anderer Ansicht ist das OLG Celle. Danach soll gegen die Verweigerung von Einsicht in die Insolvenzakten innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens dem Gläubiger das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zustehen.
Rz. 618
Die Prozessparteien können entweder geltend machen, dass ein rechtliches Interesse nicht gegeben ist oder aber dass gewichtigere Interessen dem entgegenstehen. Dabei kommen als gewichtigere Interessen, die der Akteneinsicht eines Dritten entgegenstehen, insbesondere in Betracht:
▪ |
Geheimhaltungsinteressen, |
▪ |
der Schutz einer Person, insbesondere bei der Möglichkeit der Kenntnisnahme von Anschriften, Aufenthaltsorten und Kommunikationsnummern, |
▪ |
die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung, die Verfahren nicht-öffentlich zu führen, wie in Familien- oder Kindschaftssachen. |
Rz. 619
Tipp
Wird die Akteneinsicht als Ganzes abgelehnt, kann aber auf die Möglichkeit hingewiesen werden, die Akteneinsicht auf Aktenteile oder teilweise geschwärzte Kopien zu beschränken. Das Gericht wird in seiner Entscheidung deutlich zu machen haben, dass es diese Möglichkeit bedacht hat. Anderenfalls ist die Entscheidung schon aus diesem Begründungsmangel heraus angreifbar.
Rz. 620
Die Beschwerde nach §§ 23 ff. EGGVG setzt nach § 24 EGGVG zunächst voraus, dass die Verletzung eines Rechts, hier also des Rechts aus § 299 Abs. 2 ZPO, geltend gemacht wird. Zuständig für die Entscheidung ist das Oberlandesgericht, in dem das über die Akteneinsicht entscheidende Gericht als Justizverwaltungsbehörde seinen Sitz hat.
Rz. 621
Die Beschwerde ist nach § 26 EGGVG befristet, d.h. sie muss binnen eines Monats ab Zustellung oder Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht vorgelegt werden.
Rz. 622
Hinweis
Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 26 Abs. 2 EGGVG ist aber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich, wenn die Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Nähere Bestimmungen hierzu trifft § 26 EGGVG in den Absätzen 2–4.
Rz. 623
Wird über das Akteneinsichtsgesuch nicht binnen drei Monaten entschieden, so kann die Beschwerde auch als Untätigkeitsbeschwerde nach § 27 EGGVG erhoben werden. In besonderen Eilfällen ist dies auch schon vor Ablauf der Drei-Monats-Frist möglich, § 27 Abs. 1 S. 2 EGGVG.