Rz. 15

Im Versicherungsrecht kennen wir drei unterschiedliche Zeitpunkte für den Versicherungsbeginn. Man unterscheidet den formellen, den technischen und den materiellen Versicherungsbeginn.

 

Rz. 16

Formeller Versicherungsbeginn ist der Zeitpunkt des (rechtlichen) Zustandekommens des Rechtsschutzversicherungsvertrages, also der Zeitpunkt des Zugangs der Annahmeerklärung des Rechtsschutzversicherers beim Versicherungsnehmer. Zu berücksichtigen ist, dass nach neuem Recht bereits während des Laufes der allgemeinen Widerrufsfrist nach § 8 VVG ein (schwebend wirksamer) Versicherungsvertrag besteht. Anders war die Rechtslage bei Vertragsschlüssen bis zum 31.12.2007 nach dem Policenmodell, bei denen der zunächst schwebend unwirksame Vertrag erst mit Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. formell zustande kam. Der technische Versicherungsbeginn ist der Zeitpunkt, von dem an der Versicherungsnehmer Prämie zu zahlen hat. Materiell beginnt die Versicherung mit dem Zeitpunkt, von dem an der Rechtsschutzversicherer die Hauptleistung, also Versicherungsschutz, zu gewähren hat. Auf ihn kommt es in der Praxis besonders an.

 

Rz. 17

Nach § 37 Abs. 2 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die Erstprämie zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalls noch nicht bezahlt ist, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten. Man spricht bei § 37 Abs. 2 VVG von einer Einlösungsklausel. Der Versicherungsschutz beginnt nicht vor Einlösung des Versicherungsscheins, also Zahlung der Erstprämie. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist § 7 S. 1 ARB zu sehen, der eine sog. erweiterte Einlösungsklausel darstellt. Der Anlass für diese Klausel ist einfach: Häufig soll die Versicherung materiell zu einem Zeitpunkt beginnen, zu welchem dem Versicherungsnehmer die Versicherungspolice nebst Prämienrechnung noch nicht vorliegt; die Versendung dieser Unterlagen kann Monate nach dem gewünschten materiellen Versicherungsbeginn liegen. Um den Versicherungsnehmer nicht den sich für ihn aus § 37 Abs. 2 VVG ergebenden Nachteilen auszusetzen, hat man § 37 Abs. 2 VVG durch die erweiterte Einlösungsklausel abbedungen. Nach der Neufassung des § 7 S. 1 ARB 2008 bzw. Nr. 7.4.2 ARB 2012 beginnt der Versicherungsschutz zu dem vereinbarten Zeitpunkt (rückwirkend), wenn der erste Beitrag unverzüglich nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins bezahlt wird. Bei späterer Zahlung beginnt der Versicherungsschutz erst mit der Zahlung der Erstprämie, jedoch nicht vor dem angegebenen Zeitpunkt. Entsprechend der neuen Rechtslage in § 37 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VVG bleibt gem. § 9 B Abs. 2 S. 2 ARB 2008 bzw. Nr. 7.4.2 ARB 2012 eine verspätete Zahlung der Erstprämie folgenlos, die der Versicherungsnehmer nicht zu vertreten hat (Beweislast beim Versicherungsnehmer). Der "angegebene Zeitpunkt" kann in Ausnahmefällen vor dem formellen Versicherungsbeginn liegen; dann handelt es sich um eine Rückwärtsversicherung im Sinne des § 2 VVG.

 

Rz. 18

 

Hinweis

Für den Versicherungsnehmer ist es wichtig, dass er die Erstprämie unverzüglich nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen ab Zugang des Versicherungsscheins bezahlt. Dann genießt er (rückwirkend) Versicherungsschutz für alle Versicherungsfälle, die sich nach dem im Vertrag vereinbarten Zeitpunkt ereignet haben (vorbehaltlich der Wartezeit gem. § 4 Abs. 1 S. 3 ARB).

 

Rz. 19

Im Zusammenhang mit dem materiellen Versicherungsbeginn ist § 4 Abs. 1 S. 2 ARB zu erwähnen, der die versicherungsrechtliche Selbstverständlichkeit ausdrückt, dass ein Versicherungsfall nur dann unter den Versicherungsschutz fällt, wenn er nach dessen Beginn und vor dessen Beendigung eingetreten ist.

 

Rz. 20

Gemäß § 7 S. 1 und 2 ARB setzt der materielle Beginn des Versicherungsschutzes die Zahlung der Erstprämie voraus. Wann ist die Zahlung erfolgt? Nach § 36 VVG, § 270 BGB gilt die Prämie als Schickschuld schon dann als bezahlt, wenn sie aus der Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers ausgeschieden ist. Entscheidend ist, wann der Versicherungsnehmer das für die Übermittlung des Geldes seinerseits Erforderliche getan, z.B. den Überweisungsauftrag bei der Bank eingereicht hat.[16]

 

Rz. 21

 

Hinweis

Die Erstprämie ist grundsätzlich schon mit der Leistungshandlung (Zahlungshandlung) bezahlt, womit der materielle Versicherungsschutz beginnt, auch wenn die Prämie erst später beim Rechtsschutzversicherer eingeht. Dieser zeitliche Unterschied, der in der Praxis oft mehrere Tage ausmacht, kann für den materiellen Beginn des Versicherungsschutzes von ausschlaggebender Bedeutung sein.[17]

 

Rz. 22

Die ARB 75 sahen neben einer erweiterten Einlösungsklausel gem. § 5 Abs. 1 S. 2 in § 6 auch die Vereinbarung einer vorläufigen Deckung vor, wie sie vor allem in der Kraftfahrtversicherung (§ 1 Abs. 2 bis 6 AKB) eine große Rolle spielt. Mit ihrer Hilfe wird ebenfalls § 37 Abs. 2 VVG abbedungen. Die ARB 94, 2000 und 2008 sehen eine vorläufige Deckung nicht mehr vor. Trotzdem kann sie noch im Einzelfal...

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