Rz. 71

Zitat

Manche bestreiten alles, nur nicht ihren Lebensunterhalt.[73] (Ignaz Walter)

Der Richter muss im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes überhaupt alles tun, um eine in der Sache richtige Entscheidung herbeizuführen; die Parteien wünschen und brauchen eine schnelle Entscheidung, aber mehr noch eine richtige Entscheidung. Eine überstürzte Entscheidung verletzt § 139 ZPO. Welche Anträge das Gericht zur Herbeiführung einer richtigen Entscheidung als sachdienlich anzusehen hat, ergibt sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles (BGH v. 27.6.1963 – III ZR 62/62 – VersR 1963, 1149).[74]

 

Rz. 72

Sowohl § 252 BGB als auch § 287 ZPO gewähren eine Beweiserleichterung gegenüber dem allgemeinen Grundsatz, wonach für die Entstehung des Schadens der volle Beweis erforderlich ist.[75]

[73] Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8.7.2006: Zitat nachzulesen in der Festschrift für den Bauunternehmer Ignaz Walter (* 10.7.1936, Insolvenz seiner Baugruppe im Frühjahr 2005), die ihm seine 3 Kinder zum 50. Geburtstag gewidmet hatten.
[74] KG v. 20.2.1975 – 22 U 2196/74 – OLGZ 1977, 479 [481] (juris-Rn 29).
[75] BGH v. 5.10.2010 – VI ZR 186/08 – FamRZ 2010, 1977 (nur Ls.) = GesR 2010, 685 = MDR 2010, 1381 = NJW-Spezial 2010, 715 = r+s 2010, 528 = VersR 2010, 1607; KG v. 21.6.2010 – 12 U 20/10 – jurisPR-VerkR 18/2009, Anm. 4 (Anm. Jahnke) = SP 2011, 10 = SVR 2011, 223 = VRR 2010, 362; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07 – ArztR 2009, 298 = BB 2009, 837 = DB 2009, 513 = NJW 2009, 1227 = NJW-Spezial 2009, 178 = NZA 2009, 256 (Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast des Anspruchstellers mindert, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden).

1. Geschädigter

 

Rz. 73

 

Hinweis

Zum Gewinnausfall des Selbstständigen vgl. die Ausführungen in Kapitel 5 (siehe auch § 5 Rn 119 ff.)

a) Allgemeines

 

Rz. 74

Die Nachweispflicht der Geschädigten erstreckt sich auf Eintritt und Höhe des Schadens. Er hat darzulegen und zu beweisen, dass eine Handlung des In-Anspruch-Genommenen (Schädigers) ursächlich für die Körperverletzung war (haftungsbegründende Kausalität) und dass diese Körperverletzung dann zu einem Schaden führte (haftungsausfüllende Kausalität).[76]

 

Rz. 75

Hat der Verletzte vor dem Unfall über längere Zeit über ein ständiges Einkommen verfügt, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er diese Einkünfte auch in der Zukunft erzielt hätte, wobei es dem Geschädigten unbenommen ist nachzuweisen, dass sich das entgangene Einkommen nach dem Unfall erhöht hätte.[77]

 

Rz. 76

Derjenige, der einen Einkommensschaden i.S.d. § 252 BGB geltend macht, hat die hypothetische Entwicklung seiner Berufs- und Einkommenslage ohne das Schadensereignis darzulegen und – bei erheblichem Bestreiten – zu beweisen. Dabei steht es ihm frei, den Schaden im Wege der Brutto- oder Nettolohnmethode (dazu siehe § 4 Rn 269 ff.) zu berechnen.

 

Rz. 77

Der Verletzte hat grundsätzlich darzulegen und zu beweisen,

dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles
ohne das Unfallgeschehen
eine bestimmte nachhaltige Erwerbsmöglichkeit mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre,
die ihm nunmehr unfallbedingt entgangen ist.
 

Rz. 78

Die Beweisregeln und Grundsätze, die der VI. Zivilsenat des BGH zu Ansprüchen aus unerlaubter Handlung entwickelt hat, gelten auch im Bereich der Vertragshaftung.[78]

[76] Siehe OLG Frankfurt v. 29.3.1995 – 23 U 160/94 – MDR 1995, 1012 = VersR 1996, 336 (nur Ls.) (Der Verdienstausfall einer Frau, die seit Jahren nicht mehr gearbeitet hat, kann nicht durch eine Absichtserklärung ihres Ehemannes, dass sie wieder gearbeitet hätte, nachgewiesen werden), ähnlich KG v. 12.3.1990 – 12 U 2419/89 – juris.
[78] BGH v. 26.7.2005 – X ZR 134/04 – BauR 2005, 1922 = MDR 2006, 320 = NJW 2005, 3348 = VersR 2006, 131 = WM 2005, 2303.

b) Prognose

 

Rz. 79

Der Geschädigte muss so weit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die Erwerbsprognose dartun. Im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität kommen dem Geschädigten die Beweiserleichterungen der § 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO zu Gute.

 

Rz. 80

Nach § 252 S. 2 BGB kommt es darauf an, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, im Besonderen nach den getroffenen Vorkehrungen und Anstalten, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Der Geschädigte muss dabei nicht zur vollen Gewissheit darlegen, dass der Gewinn auch erzielt worden wäre; es reicht vielmehr anstelle des positiven Nachweises eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Gewinnentganges. Konnte der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dann ist zu vermuten, dass er auch gemacht worden wäre.[79] Volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich.[80]

 

Rz. 81

Der Geschädigte muss aber die Umstände darlegen und beweisen, aus denen er nach dem gewöhnlichen Verlauf oder nach den besonderen Umständen des Falles seine Gewinnerwartung herleitet.[81] Stehen diese Tatsachen dan...

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