Rz. 15

Von der "persönlichen Lebenssituation" sollen die Wohnsituation sowie der allgemeine Gesundheitszustand umfasst sein.[19] Damit wird auch der Aufenthalt offenzulegen sein. Was unter "allgemein" fällt, wird vom Einzelfall abhängen. Eine Konkretisierung, wie vom Bundesrat vorgeschlagen,[20] wurde nicht aufgenommen[21] und hätte wohl auch – u.U. unbeabsichtigterweise – einschränkend wirken können. Nach hier vertretener Ansicht darf dies nicht zu eng gesehen werden. Von einem gesteigerten Bedürfnis an Geheimniskrämerei beim Betreuten über seinen Gesundheitszustand z.B. gegenüber seinen Abkömmlingen wird regelmäßig nicht auszugehen sein. Und bei einer mündlichen Unterrichtung wird dem Betreuer ein Telefonat von zehn statt nur fünf Minuten zuzumuten sein, so dass auch insofern eine konkrete Schilderung möglich ist.

 

Rz. 16

So helfen Angaben wie "altersgemäßer Allgemeinzustand" kaum weiter. Für den Angehörigen sind Informationen wichtig, die ihn z.B. erkennen lassen, wie mit dem Betreuten kommuniziert werden kann (z.B. wegen Schwerhörigkeit beim Telefonieren, Fehlsichtigkeit beim Lesen von Briefen und Karten), wie beweglich der Betreute ist (z.B. für Spaziergänge mit oder ohne Rollstuhl), was für Wirkungen verabreichte Medikamente haben, die für den Umgang wichtig sein können oder Veränderungen erklären (z.B. Müdigkeit, Gewichtszunahme), ob Krankenhausaufenthalte oder ambulante Eingriffe anstehen oder erfolgt sind, da diese ebenfalls konkrete Folgen, unter Umständen bis hin zum Ableben des Betreuten, haben können.

 

Rz. 17

Ein aktives Zugehen des Betreuers auf die Angehörigen ist nach § 1822 BGB n.F. nicht geschuldet. Nach hier vertretener Ansicht kann aber ein dauerhaftes Verlangen angemeldet werden. Seine Grenzen hat dies in der Zumutbarkeit. Grundsätzlich kann aber ein aktives Zugehen von Seiten des Betreuers auch als seine allgemeine Pflicht im Sinne von § 1821 BGB n.F. gesehen werden. Es ist z.B. anzunehmen, dass es grundsätzlich der mutmaßliche Wille eines Betreuten ist, dass seine Kinder von einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes informiert werden, um sich verabschieden und Beistand leisten zu können. Insofern liegt nach hier vertretener Ansicht nicht nur ein Anspruch der Angehörigen bei geäußertem Verlangen, sondern auch eine allgemeine Pflicht des Betreuers gegenüber dem Betreuten vor.

 

Rz. 18

Nach der Gesetzesbegründung soll keine positive und widerlegbare Vermutung eines Betreutenwillens angenommen werden.[22] Der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Betreuten ist zu ermitteln gem. § 1821 Abs. 14 BGB n.F. Das spricht aber nicht gegen die eben ausgeführte Annahme, dass eine Information der nahestehenden Angehörigen grundsätzlich gewünscht sein wird, ggf. in der Form einer Art von Anscheinsbeweis. Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten ist den Menschen immanent und daher als für den Betreuten grundsätzlich positiv und damit (z.B. durch Informationen) als förderungswürdig anzusehen.

Dass es im Einzelfall, gerade bei persönlichen Verwerfung und psychischen Erkrankungen des Betreuten, einen abweichenden tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten geben kann, der selbstverständlich auch beachtenswert ist, steht außer Frage. Lehnt der Betreute die Informationsweitergabe ab, ist dem vom Betreuer grundsätzlich Folge zu leisten.

 

Rz. 19

Ausnahmen können sich gem. § 1821 Abs. 3 Nr. 1 BGB n.F. ergeben.[23] Es geht um erhebliche Selbstgefährdungen bei krankheitsbedingt nicht vorhandener Einsichtsfähigkeit. Gerade in einigen Fällen z.B. mit Schizophreniebezug kann das problematisch sein. Fehlende Krankheitseinsicht und auch das Gefühl, verfolgt zu werden, können Teil der Erkrankung selbst sein. Eine Abschottung kann dann zu einer Verstärkung der Erkrankung oder zu einem Ausbleiben von Besserungen führen. Dass das selbstbestimmte Recht, über die eigene Behandlung oder deren Unterlassen zu entscheiden, ein hohes Gut und zu akzeptieren ist, ist beherrschender Maßstab. Trotzdem sollte nach hier vertretener Ansicht vom Betreuer sorgfältig geprüft werden, ob die Gefährdung durch Fortbestand der Erkrankung trotz Besserungsmöglichkeit oder Verschlechterung nicht im Einzelfall Informationen an nahe Angehörige, wie z.B. Eltern, gebietet, wenn die Ablehnung des Betreuten wesentlich auf seiner Erkrankung beruht und für ihn keine Nachteile zu erwarten sind.

 

Rz. 20

In der anderen Richtung zeigt ein Wunsch des Betreuten, eine bestimmte Person zu informieren, ein Näheverhältnis[24] bei Angehörigen bzw. kennzeichnet den Dritten als Vertrauensperson. Grundsätzlich werden dann Informationen nach § 1822 BGB n.F. auf Verlangen, aber ggf. auch aktiv vom Betreuer ohne Verlangen des Dritten gem. § 1821 BGB n.F. zu erteilen sein. An die Entscheidung, dies gegen den Willen des Betreuten nicht zu tun, werden sehr hohe Anforderungen zu stellen sein, vgl. § 1821 Abs. 3 BGB n.F.

 

Rz. 21

Nicht klar ist, ob durch § 1822 BGB n.F. auch Interessen der nahestehenden Personen geschützt werden sollen. Es spricht mit Blic...

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