Rz. 294

Ein Verletzter kann – mit bestimmtem Klageantrag – unter Umständen zunächst nur einen Teil seines Erwerbsschadens geltend machen und sich die Forderung eines höheren Betrages vorbehalten. Dies setzt eine Klarstellung voraus, auf welchen Streitgegenstand sich diese Teilklage bezieht. Während jedoch im Allgemeinen bei Schadensersatzansprüchen, die mit beziffertem Antrag aus bestimmten Schadensposten einklagt sind, die Rechtskraft auch eines der Klage stattgebenden Urteils der Nachforderung weiterer Beträge in einem zweiten Rechtsstreit grundsätzlich nicht entgegensteht, selbst wenn es an einem entsprechenden Vorbehalt im Erstprozess fehlt,[609] ist dies bei Klagen auf Ersatz des Verdienstausfallschadens anders zu beurteilen: Hier spricht die Vermutung dafür, dass der Kläger mit einer vorbehaltlos erhobenen bezifferten Klage seinen ganzen dahingehenden Schaden erfassen wollte.[610]

 

Rz. 295

Ist über eine (offene oder verdeckte) Teilklage entschieden, bezieht sich die Rechtskraft des Urteils nur auf den Gegenstand der Teilklage. Wegen weiterer Schäden kann eine weitere Klage erhoben werden. Bei wiederkehrenden Leistungen kann wegen der erst nach Erlass des Ersturteils fällig werdenden Leistungen ohnehin Klage auf künftige Zahlung erhoben werden (§ 258 ZPO).

 

Rz. 296

Verlangt der im Erstprozess siegreiche Kläger wegen veränderter Verhältnisse einen höheren Rentenbetrag, ist die Abänderungsklage nach § 323 ZPO die richtige Klageart (dazu § 26 Rdn 220 ff.); dass der verlangte Mehrbetrag im Vorprozess nicht anhängig war, steht einer solchen Klage nicht entgegen.[611]

 

Rz. 297

Häufig kommt es in Unfallhaftungssachen vor, dass der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer einen den vom Geschädigten geltend gemachten Anspruch nur teilweise für begründet hält und auf den von ihm als gerechtfertigt angesehenen Anspruch zahlt. Wird in diesem Fall der streitige Spitzenbetrag eingeklagt, weil der Geschädigte davon ausgeht, dass der Schädiger auch künftig im bisherigen Umfang freiwillig bezahlt und es daher einer gerichtlichen Entscheidung darüber nicht bedarf, und ergeht ein Urteil, das eine Verdienstausfallrente über den freiwillig bezahlten Betrag hinaus zuspricht, entscheidet dieses Urteil der Sache nach über eine Teilklage. Es stellt nicht rechtskräftig fest, dass hinsichtlich der freiwilligen Zahlung ein Anspruch des Klägers besteht. Für Mehrforderungen des Unterhaltsgläubigers ist in diesen Fällen nicht die Abänderungsklage, sondern die Nachforderungsklage gegeben.[612] Im Rahmen der Nachforderungsklage sind ohne Rücksicht auf das Ergebnis des Vorprozesses sämtliche Anspruchsgrundlagen neu vorzutragen und notfalls zu beweisen und alle Einwendungen neu zu prüfen, auch solche, die im Vorprozess gegebenenfalls bereits abschlägig verbeschieden worden sind.[613]

[609] BGH, Urt. v. 15.7.1997 – VI ZR 142/95, VersR 1998, 122, 123.
[611] BGHZ 34, 110, 116.
[612] BGHZ 93, 330, 334 ff.; OLG München, Urt. v. 18.11.2011 – 10 U 405/11, juris, Rn 21 ff.
[613] BGHZ 34, 110, 117; 93, 330, 337.

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