Rz. 6

Liegt der Vollmacht ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis zugrunde, führt der Tod des Beauftragten bzw. des Geschäftsbesorgenden gemäß § 673 S. 1 BGB (analog) zur Beendigung eines Auftrags bzw. nach §§ 675, 673 BGB zur Beendigung eines Geschäftsbesorgungsvertrags, was das Erlöschen der Vollmacht nach sich zieht. Hintergrund dieser Regelung ist die Annahme, dass zwischen Bevollmächtigtem und der Person, die die Vollmacht ausstellt, ein Vertrauensverhältnis besteht, welches untrennbar mit der Person des Bevollmächtigten verbunden ist.

 

Rz. 7

Ist die Vollmacht im Interesse des Bevollmächtigten erteilt, ist § 673 BGB, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, nicht anwendbar.[6] Die Vollmacht besteht jedenfalls trotz Tod des Beauftragten fort. Nach teilweise vertretener Ansicht liegt hier schon kein Auftrag vor, weshalb § 673 BGB von vornherein ausscheidet.[7] Nach anderer Ansicht greift § 673 BGB in diesen Fällen ausnahmsweise nicht, da die Vollmacht nicht im fremden Interesse erteilt wurde und damit Sinn und Zweck von § 673 BGB nicht einschlägig sind.[8]

 

Rz. 8

Etwas anderes gilt, wenn der Tod den Auftraggeber ereilt oder der Auftraggeber geschäftsunfähig wird. So normiert § 672 S. 1 BGB, dass der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers erlischt.[9] Mit Hilfe der Auslegungsgrundsätze ist daher zu klären, ob die Fortgeltung der Vollmacht vom Vollmachtgeber gewünscht ist.[10]

 

Rz. 9

In der Rechtsprechung werden hierzu unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. So hat das OLG Hamm[11] entschieden, dass eine Vorsorgevollmacht im Zweifel erlischt, wenn mit dieser lediglich die Sicherstellung von Versorgung und medizinischer und pflegerischer Behandlung des Vollmachtgebers bezweckt ist, da die Aufgabe mit dem Tod des Vollmachtgebers wegfällt. Ebenso hat das OLG München[12] entschieden, dem eine Vollmacht vorgelegt wurde, ohne ausdrückliche Angabe, ob diese mit dem Tode des Vollmachtgebers enden solle oder nicht. Das Urteil ist mit folgendem Leitsatz zusammenzufassen: "Bei einer Altersvorsorgevollmacht, die für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit den Umfang der Vertretungsmacht festlegt, ist davon auszugehen, dass sie mit dem Tod des Vollmachtgebers auch für den Bereich der Vermögensverwaltung erlischt."

 

Rz. 10

Dagegen meint das OLG Frankfurt a.M.,[13] dass weder die Bezeichnung als Vorsorgevollmacht noch die Angabe im Vollmachtstext, dass die Vollmacht der Vermeidung einer Betreuung diene, zur Auslegung genügt, dass ein Erlöschen der Vollmacht vom Vollmachtgeber gewollt ist. Das OLG Frankfurt a.M. hat in vorliegendem Fall dem Inhalt der Vollmacht, dass diese zur Vermeidung einer Betreuung diene und deren Anordnung vorgehe, nur die Bedeutung einer Erklärung des Zwecks der Bevollmächtigung und der Motivation des Vollmachtgebers zugerechnet. Die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt a.M. ist der des OLG Hamm vorzuziehen, da auch nach der von den Verfassern vertretenen Ansicht das Erlöschen beim Tod des Vollmachtgebers nur ausnahmsweise gewollt ist. Dies entspricht dem Gesetzestext.

 

Rz. 11

 

Praxistipp

Um Rechtsunsicherheiten nach dem Todesfall des Vollmachtgebers hinsichtlich der Fortgeltung oder des Erlöschens der Vollmacht zu vermeiden, wird empfohlen, ausdrücklich in den Vollmachtstext aufzunehmen, ob ein Erlöschen der Vollmacht beim Tod des Vollmachtgebers gewollt oder nicht gewollt ist.

 

Rz. 12

Immer wieder wird auf’s Neue diskutiert, ob eine post- bzw. transmortale Vollmacht fortbesteht, wenn der Bevollmächtigte zugleich Alleinerbe ist.[14] Einigkeit besteht in dieser Frage weder auf OLG-Ebene noch in der Literatur. Siehe hierzu die ausführlichen Ausführungen in § 19 Rdn 11–16.

 

Rz. 13

Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers führt nicht dazu, dass die einmal erteilte wirksame Vollmacht hierdurch einer Einschränkung unterliegt.[15] Verliert der Bevollmächtigte seine Geschäftsfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB, so führt dies nicht zwingend zu einem Erlöschen des Grundverhältnisses. Entscheidend ist, ob es sich um eine dauerhafte Geschäftsunfähigkeit handelt oder lediglich um einen vorübergehenden Zustand. Solange der Zustand der Geschäftsunfähigkeit lediglich vorübergehend ist, kann der Vertreter zwar in diesem Zustand nicht mit Wirkung für und gegen den Vertretenen handeln, weil er keine wirksame Willenserklärung abgeben kann, die Erfüllung des Grundverhältnisses ist ihm aber dauerhaft nicht rechtlich unmöglich. Anders ist dies bei der dauerhaften Geschäftsunfähigkeit. Hier ist dem Vertreter die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Grundverhältnis unmöglich, und aufgrund des Nichterreichens ihres Zwecks erlischt die Vollmacht.

[6] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.7.2014 – 5 W 40/14, BeckRS 2015, 6749, wenn auch ohne auf § 673 BGB einzugehen; OLG Köln, Beschl. v. 11.4.1969 – 2 Wx 29/69, OLGZ 1969, 304 (306).
[7] BeckOGK BGB/Huber, § 168 Rn 23; BeckOK BGB/Schäfer, § 168 Rn 5; Staudinger/Schilken, § 168 Rn 19.
[8] MüKo-BGB/Schubert, § 168 Rn 9.
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