Rz. 102

Erscheint weder der Gegner noch ein Vertreter und erörtert das Gericht vor Erlass des Versäumnisurteils mit dem erschienenen Anwalt, greift der Ermäßigungstatbestand nicht. Voraussetzung der Ermäßigung ist, dass "lediglich" ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt wird. Daran fehlt es, wenn zuvor erörtert wird. Dann wird nicht "lediglich" ein Antrag gestellt. In diesem Fall entsteht also die volle 1,2-Terminsgebühr.[48]

 

Beispiel 51: Säumnis des Beklagten, Erörterung mit dem Gericht

Der Anwalt erhebt Klage wegen einer Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR. Der Beklagte erscheint im Termin nicht. Das Gericht hat Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage und erörtert darüber mit dem Klägervertreter. Nach Erörterung berät das Gericht und erlässt das Versäumnisurteil gegen den Beklagten.

Da hinsichtlich der gesamten Klageforderung erörtert worden ist, greift der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 VV nicht, sodass die volle 1,2-Terminsgebühr anfällt.

Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 50.

 

Rz. 103

Ebenso ist zu rechnen, wenn der Kläger aufgrund der Erörterung mit dem Gericht eine andere Erklärung abgibt, etwa die Erledigung der Hauptsache, die Rücknahme der Klage, einen Verweisungsantrag. Auch in diesem Fällen entsteht eine die volle Terminsgebühr und nicht die nach Nr. 3105 VV ermäßigte Gebühr, da kein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden ist.

 

Beispiel 52: Säumnis des Beklagten, Erledigung der Hauptsache, Klagerücknahme, Verweisungsantrag mit dem Gericht

Der Anwalt erhebt Klage wegen einer Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR. Der Beklagte erscheint im Termin nicht. Nach Erörterung mit dem Gericht

a) nimmt der Kläger die Klage zurück,
b) erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt,
c) beantragt der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits,
d) beantragt der Kläger das Ruhen oder die Aussetzung des Verfahrens.

Da hinsichtlich der Klageforderung erörtert worden ist, greift der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 VV nicht, sodass die volle 1,2-Terminsgebühr anfällt, und zwar auch im Fall d), in dem nur ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung gestellt worden ist.

Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 50.

 

Rz. 104

Auch die Erörterung über ein Ablehnungsgesuch der nicht erschienenen Gegenpartei steht einer Ermäßigung entgegen.[49]

 

Beispiel 53: Säumnis des Beklagten, Erörterung über Befangenheitsantrag

Im Termin zur mündlichen Verhandlung wegen einer Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR erscheint der Anwalt des Klägers. Der Beklagte erscheint im Termin nicht. Das Gericht erörtert über einen Befangenheitsantrag des Beklagten und erlässt sodann das beantragte Versäumnisurteil.

Die Erörterung über den Befangenheitsantrag schließt die Ermäßigung aus.

Abzurechnen ist wie im Beispiel 50.

 

Rz. 105

Zur Teilerörterung siehe Rdn 121 ff.

[48] OLG Frankfurt AGS 2017, 452 = NJW-Spezial 2017, 571 = RVGreport 2017, 383; KG AGS 2006, 117 = RVGreport 2006, 66; RVGreport 2006, 184; OLG Koblenz AGS 2005, 190 m. Anm. N. Schneider u. Madert = RVGreport 2005, 231; LAG Frankfurt RVG-Letter 2006, 52; OLG Naumburg AGS 2014, 388 = NJW-Spezial 2014, 539.
[49] LG Paderborn AGS 2015, 272 = JurBüro 2015, 35.

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