Rz. 49

Sämtliche Verfahren nach §§ 261 Abs. 2, 266 Abs. 2, 210 FamFG zählen zu den privatrechtlichen Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es gilt also der allgemeine Teil des FamFG, die Sondervorschriften des § 113 FamFG gelten nicht.

Diese Einordnung ist sachlich zutreffend.

 

Rz. 50

Privatrechtliche Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörten schon bisher und gehören nun auch unter der Geltung des FamFG zu den drei Arten der freiwilligen Gerichtsbarkeit:

Zunächst sind dies die klassischen Fürsorgeverfahren (freiwillige Gerichtsbarkeit im materiellen Sinne), so zum Beispiel und insbesondere die Kindschafts-, Adoptions-, Betreuungs-, Nachlass-und Teilungssachen, register- und unternehmensrechtliche Verfahren, Urkundssachen, Verfahren in Freiheitsentziehungssachen sowie in Aufgebotsverfahren; weiter die öffentlich-rechtlichen Streitsachen wie zum Beispiel die Verfahren nach §§ 107 Abs. 19 FamFG, §§ 23 ff. EGGVG und § 111 Abs. 4 BNotO; schließlich die privatrechtlichen Streitsachen, zu denen sämtliche von §§ 261 Abs. 2, 266 Abs. 2, 210 FamFG erfassten Verfahren gehören.

 

Rz. 51

In privatrechtlichen Streitsachen (nicht selten auch echte Streitsachen genannt) stehen sich die Beteiligten als Gegner gegenüber und verfolgen meist vermögensrechtliche Interessen privatrechtlicher Natur, das Gericht entscheidet als neutrale Instanz verbindlich über Rechte und Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten – so auch in den von §§ 261 Abs. 2, 266 Abs. 2 und 210 FamFG erfassten Verfahren. Ideologische Vorbehalte gegen den liberalen Zivilprozess, der den Parteien eine starke Stellung einräumt, bestehen nicht.[68] Vielmehr ist in solchen Fällen ein Streit grundsätzlich im Zivilprozess auszutragen. Das ergibt sich aus § 3 EGZPO in Verbindung mit § 13 GVG. Der Zivilprozess ist aber nur dann die sachgemäße Verfahrensart, wenn die Parteien ihren Aufklärungsbeitrag nach den abstrakten Regeln der Darlegungslast auch leisten können. Hierzu müssen sie wissen, an welche Tatbestandsvoraussetzungen Rechtsfolgen im Gesetz geknüpft sind. Verzichtet das Gesetz auf die Normierung klarer Tatbestände, sind abstrakte Regeln für die Beibringung des Streitstoffes ungeeignet.[69] Die Freiwillige Gerichtsbarkeit wurde daher über den ursprünglichen Bereich hinaus vorwiegend auf solche Streitsachen ausgedehnt, bei denen dem Richter ein Ermessen eingeräumt ist, so zum Beispiel in den §§ 2 S. 1, 8 Abs. 1 HausratsVO a.F. Klare Tatbestände fehlen aber auch bei Anspruchsgrundlagen mit unbestimmten Rechtsbegriffen.[70] Wegen der Vielzahl und Weite der in §§ 1365 Abs. 2, 1369 Abs. 2, 1382, 1383, 1426, 1430, 1452, 1357 Abs. 2 S. 1 BGB, 1, 2 GewSchG und jetzt auch in den gemäß § 1519 BGB anzuwendenden Art. 5 Abs. 2, Art. 12 Abs. 2 S. 2, Art. 17 des deutsch-französischen Abkommens über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (die denen des § 1369 Abs. 2 BGB und der §§ 1382, 1383 BGB vergleichbar sind) verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, ist es den Ehegatten und weiteren Beteiligten kaum je möglich, den erforderlichen konkreten Sachvortrag von vornherein zu leisten, also ihrer konkreten Behauptungslast nachzukommen. Abstrakte Regeln eignen sich deshalb für die Beibringung des Verfahrensstoffs gerade in dem sensiblen Bereich zwischen Ehegatten, getrennt lebenden Ehegatten sowie zwischen Täter und Opfer nicht. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist hier das sachangemessene Verfahren.

[68] Brehm, § 2 Rn 5; ideologisch motiviert für eine allgemeine Anwendung des FG-Verfahrens dagegen Baumbach, ZAkDR 1938, 583; 1941, 31; vergleiche dazu auch Bärmann, AcP 154 (1955), 388 f.
[69] Brehm, § 2 Rn 4; MüKo-FamFG/Erbarth, § 200 Rn 7.
[70] MüKo-FamFG/Erbarth, § 200 Rn 8.

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