Rz. 120
Ausnahmsweise kann die schriftliche Begutachtung gem. § 411a ZPO durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden. Es steht hierbei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob ein Gutachten aus einem anderen Verfahren verwertet oder aber eine neue Begutachtung angeordnet wird.
Die entsprechende Anordnung der Verwertung eines Gutachtens aus einem anderen Verfahren erfolgt durch Beschluss des Gerichts, gegen welchen unmittelbar kein Rechtsmittel gegeben ist (§ 355 ZPO). Allerdings müssen die Parteien vor der Verwertung des Gutachtens die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.[47]
Rz. 121
Praxistipp
Bei der Übernahme eines im Rahmen eines Strafverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens in ein Zivilverfahren sollte stets beachtet werden, welche Tatsachen durch das Gutachten aufgeklärt werden sollten. Diese müssen nämlich nicht mit denjenigen identisch sein, die für die Entscheidung des Zivilverfahrens von entscheidender Bedeutung sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass im Strafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt, während im Zivilverfahren nach § 286 ZPO das Gericht eine freie Beweiswürdigung vornehmen kann, so dass das Ergebnis eines Gutachtens aus dem Strafverfahren nicht zwingend demjenigen im Zivilverfahren entsprechen muss.
Rz. 122
Auch ist der Sachverständige auf Antrag oder von Amts wegen gem. § 411 Abs. 3 ZPO zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden[48] und den Parteien steht die Möglichkeit zu, den Sachverständigen unter den Voraussetzungen des § 406 ZPO abzulehnen.[49]
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