Rz. 115

Ist die erste Hürde geschafft und begünstigungsfähiges Vermögen prinzipiell zu bejahen, sind erwerbszeitpunktbezogen weitere komplexe Prüfschritte erforderlich. Denn der gemeine Wert des begünstigungsfähigen Vermögens ist in begünstigtes Vermögen einerseits und Verwaltungsvermögen bzw. nicht begünstigtes Vermögen andererseits zu filetieren.

Aus dem Saldo des begünstigungsfähigen Vermögens abzüglich (Netto)-Verwaltungsvermögen wird noch ein 10 %-iger Anteil dem begünstigten Vermögen als unschädliches Verwaltungsvermögen zugewiesen (§ 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG). Nicht in diese Zusatzbegünstigung einzubeziehen sind allerdings junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel.

 

Rz. 116

Folgende Prüfschritte sind somit durchzuführen:

1. Ermittlung des der Altersversorgung dienenden Vermögens (§ 13b Abs. 3 ErbStG),
2. Etwaiger genereller Ausschluss von den Begünstigungen – 90 %-Test – (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG),
3. Ermittlung des verbleibenden Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 4 ErbStG),
4. Prüfung der Anwendbarkeit der Investitionsklausel (§ 13b Abs. 5 ErbStG),
5. Ermittlung des Nettowerts des Verwaltungsvermögens (13b Abs. 6 ErbStG),
6. Ermittlung und Ausschluss des unschädlichen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 ErbStG).
 

Rz. 117

Welches Vermögen zum Verwaltungsvermögen gehört, ist im Einzelnen in § 13b Abs. 4 Nr. 1–5 ErbStG definiert. Vom systematischen Aufbau her ist diese Vorschrift durch ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geprägt. Die folgende Tabelle soll dies für wesentliche Vermögenswerte veranschaulichen – auf Detailfragen, für die sich in jedem Fall noch eine Prüfung gebietet, soll hier nicht weiter eingegangen werden:[200]

 
Regel (= Verwaltungsvermögen) Ausnahmen bei ErbStG/ErbStR/ ErbStH

Grundstücksüberlassung

(§ 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG)
(1) Betriebsaufspaltung
§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. a ErbStG
 
(2) Betriebsverpachtung
§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. b ErbStG
 
(3) Konzernklausel § 4h EStG
§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. c ErbStG
 
(4) Wohnungsunternehmen
§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. d ErbStG
 
(5) land- und forstwirtschaftliche Grundstücke
§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. e ErbStG

unmittelbar gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften kleiner gleich 25 %

(§ 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG)
(1) Hauptzweck Gewerbebetrieb Kreditinstitut/Finanzdienstleister/Versicherung
§ 13b Abs. 4 Nr. 2 S. 1 ErbStG
(2) Poolregelung
§ 13b Abs. 4 Nr. 2 S. 2 ErbStG
Kunst, Bibliotheken, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge, sonstige der privaten Lebensführung dienende Gegenstände (§ 13b Abs. 4 Nr. 3 ErbStG) Handel/Verarbeitung Hauptzweck Gewerbebetrieb  

Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen

(§ 13b Abs. 4 Nr. 4 ErbStG)
(1) Hauptzweck Gewerbebetrieb Kreditinstitut/Finanzdienstleister/Versicherung
 
 
(2) Bargeld, Sichteinlagen, Sparguthaben, Festgelder, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
 

Finanzmittel ./. Schulden

(§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG)
(1) 15 % des Werts des Betriebsvermögens (Freibetrag), aber nur bei originärer gewerblicher/freiberuflicher Tätigkeit.
 
Sog. junge Finanzmittel sind generell Verwaltungsvermögen.
(2) Hauptzweck Gewerbebetrieb Kreditinstitut/Finanzdienstleister/Versicherung
 
 

Rz. 118

§ 13b Abs. 5 ErbStG sieht insbesondere unter Reinvestitionsgesichtspunkten bei vorgefassten Investitionsplänen[201] eine rückwirkende Heilung zunächst als steuerschädlich klassifiziertem Verwaltungsvermögen vor.

Komplexe Ermittlungen ergeben sich bei Personengesellschaften, da die Finanzverwaltung bei gleichzeitigem Vorhandensein von Verwaltungsvermögen im Sonderbetriebsvermögen und von Verwaltungsvermögen auf Gesamthandsebene eine gesellschafterbezogene Zuweisung des anteiligen Verwaltungsvermögens aus dem Gesamthandsvermögen im Verhältnis des gemeinen Werts der Beteiligung des Gesellschafters zum gemeinen Wert des Gesamthandsvermögens vornimmt.[202]

 

Rz. 119

 

Beispiel

V ist zu 30 % an der gewerblich tätigen V GmbH & Co. KG beteiligt. Der im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelte gemeine Wert (ohne Sonderbetriebsvermögen) der Gesellschaft beträgt 5.000.000 EUR. Die V GmbH & Co. KG verfügt über Finanzmittel von 2.000.000 EUR und weist Schulden (incl. gegenüber Gesellschaftern) von 1.000.000 EUR aus. In seinem Sonderbetriebsvermögen bilanziert V Forderungen gegen die V GmbH & Co. KG mit einem Nominalwert (gemeiner Wert) von 300.000 EUR. In der Gesamthandsbilanz wird für V ein Kapitalkonto von 400.000 EUR ausgewiesen – die Kapitalkonten der übrigen Gesellschafter betragen in Summe 600.000 EUR. Sonstiges Verwaltungsvermögen oder junge Finanzmittel sind nicht vorhanden.

 
alle Beträge in EUR   V (30 %)

Übrige

(70 %)
gemeiner Wert V GmbH & Co. KG 5.000.000    
Kapitalkonten – 1.000.000 400.000 600.000
Gewinnverteilungsschlüssel – 4.000.000 1.200.000 2.800.000
verbleiben GHV 0 1.600.000 3.400.000
Sonderbetriebsvermögen (SBV)   300.000 0
Anteil am Betriebsvermögen   1.900.000 3.400.000
       
Finanzmittel      
aus GHV 2.000.000    
Aufteilung 1.600.000 / 5.000.000   640.000  
aus SBV   300.000  
Summe   94...

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