Rz. 130

Die Betriebsvermögensbegünstigungen sollen nur dann erhalten bleiben, wenn der Erwerber gewisse Spielregeln einhält. Neben der zuvor dargestellten Lohnsummenregelung gehört dazu auch, dass das produktive Betriebsvermögen im Sinne einer nahtlosen Unternehmensfortführung für gewisse Mindestzeiträume (fünf bzw. sieben Jahre) er- bzw. gehalten wird. Anders gewendet: Der Erwerber erdient sich die Betriebsvermögensbegünstigung ratierlich – in vollen Jahren berechnet – nach § 13a Abs. 6 ErbStG, wenn er seinerseits ausgehend vom Zeitpunkt der Steuerentstehung[228] keinen in § 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG enumerierten Tatbestand verletzt. Betrifft die schädliche Verfügung nur einen Teil des begünstigten Vermögens, bleiben der Verschonungsabschlag und gegebenenfalls der Abzugsbetrag für den weiterhin begünstigten Teil des Vermögens erhalten. Zudem verhilft die Reinvestitionsmöglichkeit nach § 13a Abs. 6 S. 3 und 4 ErbStG dabei, eine Nachversteuerung, die über § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO eingeleitet wird, zu vermeiden.

 

Rz. 131

Die in der folgenden Übersicht kursorisch dargestellten besonders praxisrelevanten Vorgänge führen zu einem (anteiligen) Entfallen des erwerbszeitpunktbezogen gewährten Verschonungsabschlags, aber auch zu einer Neuberechnung des Entlastungsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG:

 
Tatbestand ErbStG
Veräußerung Gewerbebetrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil sowie Aufgabe Gewerbebetrieb § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG
Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG
nicht aus (neuen) Gewinnen und/oder Einlagen finanzierbare Überentnahmen und Ausschüttungen größer 150.000 EUR § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG
Veräußerung/verdeckte Einlage von Anteilen an Kapitalgesellschaften § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 ErbStG
Aufhebung Poolregelung § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG
 

Rz. 132

Veräußerung bedeutet die Übertragung von Vermögensgesamtheiten oder einzelner Vermögensgegenstände unter Einräumung einer Gegenleistung. Erb- bzw. schenkungsteuerlich fällt hierunter auch die Vermögens(weiter-)übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen (Schenkung unter Leistungsauflage),[229] nicht hingegen die Einräumung obligatorischer Nutzungsrechte.[230]

Problematisch ist, dass auch z.B. eine insolvenzbedingte unfreiwillige Aufgabe eines Gewerbebetriebs innerhalb der Behaltensfrist letztlich zu einem ratierlichen Entfallen der Betriebsvermögensbegünstigungen führen kann.[231]

 

Rz. 133

Nicht aus (neuen) Gewinnen und/oder Einlagen finanzierbare Überentnahmen, wozu auch Sachentnahmen nicht wesentlicher Betriebsgrundlagen gehören,[232] sowie Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften führen zu einer Nachversteuerung, soweit deren Summe seit dem Erwerb einen Betrag von 150.000 EUR übersteigt (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG). Von Anfang an nicht begünstigtes junges Verwaltungsvermögen ist bei der Entnahmeregelung außen vor zu lassen, kann also steuerunschädlich entnommen werden.[233] Der Betrag von 150.000 EUR wirkt wie ein Freibetrag.[234] Wird dieser überschritten, wird nur der übersteigende Teil rückwirkend aus der Begünstigung ausgeklammert, ohne dass jedoch noch ein Abschmelzen im Verhältnis zur Behaltensfrist zu beachten ist.[235] Insbesondere bei der Erfüllung von Geldvermächtnissen durch – im Ergebnis fremdfinanzierte – Barentnahmen aus dem Betriebsvermögen oder Gewinnausschüttungen ist insoweit Vorsicht geboten. Nach hier vertretener Ansicht führen bei gewerblichen Personengesellschaften nur Entnahmen aus dem gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalbereich unter die Entnahmevorschrift. Die Begrifflichkeiten Entnahme, Einlage, Gewinn und Verlust sind nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zu definieren.[236] Werden hingegen fremdübliche Darlehen an die Gesellschafter z.B. zwecks Entrichtung der Erbschaftsteuer oder der Erfüllung von Geldvermächtnissen gewährt, handelt es sich nicht um Entnahmen in diesem Sinne.[237]

 

Rz. 134

Kommt es zu einer Tatbestandsverwirklichung nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1–5 ErbStG, ergibt sich eine einmonatige Anzeigefrist aus § 13a Abs. 7 S. 2 ErbStG.

Im Bereich der Verschonungsbedarfsprüfung finden sich in Bezug auf den Steuererlass identisch wirkende Regelungen in § 28a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ErbStG.

 

Rz. 135

 

Zusammenfassendes Beispiel

Der am 25.9.2021 verstorbene E war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der E-GmbH, die im Bereich der Elektrotechnik erfolgreich tätig ist. Der Substanzwert soll mit 8.400.000 EUR angenommen werden. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden folgende Ergebnisse vor Ertragsteuern (EBT) erzielt:

EBT 2018: 1.000.000 EUR

EBT 2019: 1.100.000 EUR

EBT 2020: 1.050.000 EUR

In allen Jahren hat sich für E ein angemessener Unternehmerlohn von 150.000 EUR p. a. ermittelt, der bereits aufwandswirksam verbucht worden ist. In 2020 wurde eine Teilwertabschreibung für ein betrieblich genutzte Software von 30.000 EUR vorgenommen. Weiterhin sind folgende Sachverhalte bekannt:

a) Die E-GmbH vermietet ein Mehrfamilienhaus zu fremden Wohnzwe...

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