Rz. 77

BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZB 59/12, zfs 2013, 346

Zitat

ZPO §§ 91 Abs. 1 S. 1, 104 Abs. 2 S. 1

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines weder im Rechtsstreit noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgelegten Privatgutachtens.

a) Der Fall

 

Rz. 78

Die Klägerin hatte die Beklagte als Haftpflichtversicherer des an einem Verkehrsunfall beteiligten Kraftfahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe den Unfallhergang nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, denn die behaupteten Schäden an ihrem Pkw könnten nicht alle aus dem primären Zusammenstoß der Fahrzeuge herrührten. Mit erheblicher Wahrscheinlichkeit habe es sich um einen gestellten Unfall gehandelt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat die Klägerin nach einem für sie in der Sache ungünstigen Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts zurückgenommen. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte zunächst die Festsetzung von Rechtsanwaltskosten und mit ergänzendem Antrag vom 3.2.2012 zusätzlich die Erstattung von Kosten in Höhe von 755,77 EUR für die Einholung eines schriftlichen DEKRA-Gutachtens "zur Plausibilität von Schadenabläufen" beantragt. Aus der von ihr vorgelegten Rechnung vom 25.2.2010 ging hervor, dass sie das Gutachten hinsichtlich des Unfalls vom 4.4.2009 am 12.2.2010, dem Tag nach der Klagezustellung, in Auftrag gegeben hatte. Zur Begründung der insoweit begehrten Kostenfestsetzung hatte die Beklagte geltend gemacht, dass sie Zweifel an dem Unfallablauf und den in diesem Zusammenhang behaupteten Beschädigungen gehabt habe und von einer Unfallmanipulation ausgegangen sei. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat die Gutachterkosten mit Beschl. v. 5.4.2012 antragsgemäß festgesetzt. Der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat er nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Ziel, die Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 5.4.2012 zu erreichen, weiterverfolgte.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 79

Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

 

Rz. 80

Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu können nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (vgl. Senatsbeschl. v. 17.12.2002 – VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235 f.; v. 20.12.2011 – VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn 10; v. 23.5.2006 – VI ZB 7/05, VersR 2006, 1236 Rn 6; v. 4.3.2008 – VI ZB 72/06, VersR 2008, 801 Rn 6 und v. 18.11.2008 – VI ZB 24/08, VersR 2009, 563 Rn 6). Dies war hier der Fall, denn das Privatgutachten war von der Beklagten am Tag nach der Klagezustellung in Auftrag gegeben worden. Die Prozessbezogenheit konnte entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagte habe schon vor Klageerhebung geltend gemacht, sie könne beweisen, dass nicht sämtliche Schäden auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Aus diesem Vorbringen konnte insbesondere nicht geschlossen werden, dass ihr das DEKRA-Gutachten schon damals vorlag.

 

Rz. 81

Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.12.2011 – VI ZB 17/11, a.a.O. Rn 12 m.w.N.). Da nach dem Klagevorbringen im Streitfall Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetrugs vorlagen, durfte die Beklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage einer möglicherweise gegebenen Unfallmanipulation als sachdienlich erachten. Dies gilt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, wie die Beklagte die Beweissituation vor Klageerhebung eingeschätzt hatte.

 

Rz. 82

Zu Recht hatte das Beschwerdegericht die Erstattungsfähigkeit der durch die Einholung des DEKRA-Gutachtens entstandenen Kosten bejaht. Dem stand nicht entgegen, dass die Beklagte das Gutachten weder im Rechtsstreit noch im Kostenfestsetzungsverfahren vorgelegt hatte.

 

Rz. 83

Die Frage, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die Einholung eines schriftlichen Privatgutachtens entstandenen Kosten voraussetzt, dass das Gutachten zur Gerichtsakte gereicht wird, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.

 

Rz. 84

Der früher teilweise vertretenen Auffassung, die Vorlage des Gutachtens sei schon deshalb erforderlich, weil die Kosten nur dan...

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