Rz. 163

BGH, Urt. v. 11.7.2017 – VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155

Zitat

BGB § 249; ZPO § 287; RVG §§ 14, 15

a) Allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, reicht nicht aus, um aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer zu begründen (Fortführung von Senat, Urt. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04; v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05 und v. 8.5.2012 – VI ZR 196/11).
b) Wird in einem solchen Fall eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt im späteren Verlauf erforderlich, führt die zu frühe Einschaltung des Rechtsanwalts – für sich genommen – nicht notwendig zu einem vollständigen Ausschluss des gemäß § 287 ZPO frei zu schätzenden Schadens wegen der Rechtsverfolgungskosten.
c) Im Falle einer quotenmäßigen Haftung des Schädigers sind diesem Rechtsverfolgungskosten, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte seinen Kaskoversicherer nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil in Anspruch nimmt, nicht zuzurechnen.

a) Der Fall

 

Rz. 164

Der Kläger machte gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall geltend. Das Fahrzeug des Klägers und das von der Beklagten zu 1 gefahrene und bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherte Fahrzeug des Beklagten zu 2 stießen am 14.12.2012 frontal zusammen. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, der Kläger wurde verletzt. Er beauftragte seinen mit der Abwicklung des Schadensfalls gegenüber den Beklagten betrauten vormaligen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden Bevollmächtigter), auch die Ansprüche gegenüber seinem Kaskoversicherer geltend zu machen.

 

Rz. 165

Der Bevollmächtigte zeigte dem Kaskoversicherer dies mit Schreiben vom 30.1.2014 an und fügte das Anspruchsschreiben an den gegnerischen Haftpflichtversicherer sowie das Sachverständigengutachten vom 17.12.2013 bei. In der Folge übersandte er das Abrechnungsschreiben des gegnerischen Versicherers vom 15.5.2014 mit der Bitte um Gewährung von Versicherungsschutz nach Maßgabe des Quotenvorrechts. Mit Schreiben vom 12.6.2014 rechnete der Kaskoversicherer ab. Er zahlte für einen Fahrzeugschaden in Höhe von 8.510 EUR abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300 EUR und der bereits erfolgten Zahlung des gegnerischen Haftpflichtversicherers in Höhe von 4.255 EUR einen Betrag in Höhe von insgesamt 3.955 EUR. Mit Schreiben vom 20.6.2014 bat der Bevollmächtigte um eine Überprüfung der Abrechnung. Er wies darauf hin, dass es noch des Ausgleichs der restlichen kongruenten Schadenspositionen – hier der Abschleppkosten und der Sachverständigenkosten – bedürfe.

 

Rz. 166

Der Kaskoversicherer regulierte mit Schreiben vom 31.7.2014 "den Vollkaskoschaden anteilig mit 4.871,46 EUR" und zahlte einen weiteren Betrag in Höhe von 300 EUR. Der Betrag in Höhe von 4.871,46 EUR entsprach gemäß der dem Schreiben beigefügten Abrechnung der Hälfte des aus Reparaturkosten in Höhe von 8.510 EUR, Abschleppkosten in Höhe von 606,84 EUR und Sachverständigenkosten in Höhe von 626,08 EUR bestehenden Gesamtschadens. Der Bevollmächtigte rechnete seine Tätigkeit gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 4.8.2014 in Höhe von 492,54 EUR auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.871,46 EUR ab, wobei er eine Geschäftsgebühr von 1,3 ansetzte.

 

Rz. 167

Der Kläger nahm die Beklagten auf Zahlung dieses Betrages sowie weiteren materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten in Höhe von 50 % zugrunde gelegt und die Beklagten – soweit hier noch erheblich – zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von weiteren 497,53 EUR nebst Zinsen verurteilt. Wegen des Anspruchs auf Erstattung der durch die Vertretung gegenüber dem Kaskoversicherer angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR (im Folgenden auch streitgegenständliche Rechtsanwaltskosten) hat es die Klage abgewiesen und insoweit zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen. Mit der wegen der Haftungsquote auf den hälftigen Betrag in Höhe von 246,27 EUR beschränkten Revision verfolgte der Kläger seinen Schadensersatzanspruch wegen der Rechtsanwaltskosten weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 168

Die Revision hatte keinen Erfolg. Zwar hielt das Berufungsurteil den Rügen der Revision nicht stand; die Entscheidung war aber aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO. Im Ergebnis stand dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu, § 249 Abs. 1 BGB.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Einen solchen Rechtsfehler zeigte die Revision hier auf....

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