Rz. 101

Nach den überwiegenden Bedingungen fallen Bandscheibenschäden auch nicht unter den Versicherungsschutz. Anderes gilt nur dann, wenn das Unfallereignis die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung war. Allerdings ist der Versicherungsnehmer hierfür voll beweispflichtig. Obwohl dieser Beweis in der Praxis ganz selten zu erbringen ist, spielen in den Gerichtsentscheidungen Bandscheibenschäden eine große Rolle. Die Mehrzahl der Bandscheibenschäden entsteht ohne äußere Einwirkungen. Es sind schicksalhafte oder anlagebedingte Abnutzungserscheinungen des Körpers. Statistisch gesehen sollen sogar 70 % bis 80 % der Bandscheibenschäden psychischer Natur sein. Generell kann gesagt werden, dass Bandscheibenschäden nur sehr schwer in den Versicherungsschutz einbezogen werden können. Exemplarisch ist hier auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 20.7.2005 (r+s 2006, 165) zu verweisen. In diesem Fall hatte sich der Versicherungsnehmer neben seinen Bürostuhl gesetzt und dabei erheblich verletzt. Die Beschädigung der Bandscheibe und der Lendenwirbelsäule sollten bei der Unfallversicherung reguliert werden. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, da der Versicherungsnehmer nicht beweisen konnte, dass die Beschädigungen überwiegend Folgen des Unfalls waren. Selbst vorgelegte Röntgenaufnahmen konnten hier nicht den Beweis erbringen. Ferner wurde der Kläger nicht mit dem Argument gehört, dass er vor dem Unfall beschwerdefrei war, da das Gericht die Auffassung vertrat, dass auch degenerative Veränderungen auftreten können, ohne dass vor dem Unfall Beschwerden aufgetreten waren. Im Großen und Ganzen ist dieses Urteil jedoch äußerst kritisch zu betrachten. Der Anwalt sollte sich hier mit Spezialisten im Bereich der Orthopädie unterhalten und prüfen, ob der Einzelfall für eine Gerichtsentscheidung geeignet ist oder nicht. Möglicherweise steckt hinter dieser Rechtsprechung auch wieder einmal das gewünschte Ziel, so dass entsprechende Begründungen "gezimmert" werden.

 

Praxistipp

Bandscheibenvorfälle spielen in der gerichtlichen Praxis eine große Rolle, so dass auf die Entscheidung des OLG Koblenz vom 11.4.2008 (10 U 1848/05 – VersR 2008, 1683) zu verweisen ist. Hier hatte das OLG Koblenz ausgeführt, dass bei einer aufprallbedingten Bewegungsenergie von 6,3 g bis 7,2 g eine überwiegende Unfallverursachung eines Bandscheibenvorfalls bewiesen sein kann. Eine solche Belastung ist geeignet, einen Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule auszulösen. Dieses Urteil ist insofern lesenswert, da bei Bandscheibenfällen immer wieder der Einwand seitens des Versicherers erhoben wird, dass diese entweder rein psychisch bedingt oder degenerativer Natur seien, weshalb kein Leistungsanspruch gegeben sei. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Mandant nach dem Unfall gleich zu einem Arzt geht und dieser entsprechende Feststellungen trifft, da später ohne ärztliche Dokumentationen auftretende Bandscheibenprobleme nur schwer als unfallkausal zu beweisen sind.

In dieser Entscheidung hat das OLG auch nochmals darauf hingewiesen, dass die Gutachter, die medizinische Bewertungen vornehmen, durch den Anwalt überprüft werden müssen, da oftmals sozialversicherungsrechtliche Aspekte mit versicherungsrechtlichen Kriterien der AUB vermengt werden und die Gefahr besteht, dass falsche Gutachten geschrieben werden.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge